Sattva

C.G. Jung: “Es ist nämlich seelisch leichter, in einem Bewegungszustand, in einem Auf-und Abwogen des Geschehens, als in einem ausgeglichenen Dauerzustand zu leben, denn in letzterem Zustand – unbekümmert um seine vielleicht bewundernswerte Höhe und Vollendung – droht die Erstickung in unerträglicher Langeweile. Wir täuschen uns daher nicht, wenn wir annehmen, daß seelische Friedenszustände, das heißt konfliktlose, heitere, überlegene und ausgeglichene Stimmungen – sofern sie von Dauer sind – immer auf besonders entwickelten Einstellungen beruhen.”

Der erste Sachverhalt ist in vedischen Systemen mit dem Begriff rajas benannt, er meint die Bezeichnung der eigentlichen oder hauptsächlichen Lebenssphäre unseres Menschseins, somit aber unserer hierauf bezogenen begrenzten Definitionen, die aber gerade als das Lebensvolle im landläufigen Sinne erachtet sind. Freilich liegt es in unserer Problemstellung, dieses Bild zu erweitern, die Welt des “Auf und Abwogens” als zuletzt ‘undurchdrungen’ zu erkennen und entsprechend nach Entwicklung zu suchen. Mit den Lebensjahren – Jung spricht in dem Kontext von einer Lebenskehre – wird man zunehmend gewahr, daß viel der Affektion der jungen Jahre überwindenswert, die tieferen Ansätze jedoch unentwickelt blieben. Der Gemütszustand sattva hingegen ist der von hier überwindende und dabei durchaus integrierende Zustand, den nur jemand als ‘langweilig’ bezeichnen würde, der ihn vom Stand des Gemütszustandes rajas aus eben gar nicht zu verstehen oder zu erahnen in die Lage versetzt ist. Tatsächlich ja ist sattva die erhabene, souveräne und Selbst– genügsame (da in der Größe des Selbst selbst befasste) Haltung- hier nun bemühen wir das Jung‘sche Ansichtig-Werden des Selbst, also die Befassung des im erweiterten Sein befindlichen Ich mit Aspekten , die das Ich zu transzendieren befähigen, dies in der Erschließung der unendlichen Quelle entgrenzendem Mit-Sich-Seins, welche im Vollziehenden eine unerschöpliche Seins – Präsenz und -steigerung bewirkt.
Meister Eckart sagt: “Alle unsere Vollkommenheit und alle unsere Seligkeit hängt daran, daß der Mensch durchschreite und hinausschreite über alle Geschaffenheit und alle Zeitlichkeit und alles Sein und eingehe in den Grund, der grundlos ist.”
Ist schon im Befasstsein solcher Entwicklung und Annäherung ein gesteigertes Leben, so ist das eigentliche Leben überhaupt erst hier als solches zu benennen, wohingegen das, was uns zur üblichen Definition vom Leben diente, nur (im Besten Falle) als eine Art Propädeutik zu diesem erkennbar werden muß.