Einung mit dem Einen

W. Beierwaltes über den Neuplatonismus: “Mit der Henosis (henosis: classical Greek word for mystical “oneness”, “union” or “unity”) verbindet Plotin zwar die ‘Ekstasis’ als einen Selbstüberstieg des Denkens, intendiert jedoch keine durch ‘Solipsismus’ noch geförderte ‘Selbstauslöschung’ des Individuums, huldigt, wie ich glaube, nicht einem schopenhauerisch oder sonstwie verstandenen ‘quietiven Ideal’, gemäß dem das Dasein in einem dauernden Jetzt sich zur Ruhe legen will. Henosis meint vielmehr den punktuellen Zustand der intensivsten Verwirklichung des Selbst. Diesen aber muß das Individuum immer wieder verlassen – jedoch sicher nicht ohne Impulse, die für sein zukünftiges Handeln maßgebend werden könnten.”

W. Beierwaltes: “Die Einung mit dem Einen selbst ist nur als etwas zu denken, was lediglich im Akt eines Einzelnen und nicht im Kontext oder gar durch Vermittlung einer Gemeinschaft zu erreichen ist, Sie erst ist als Spitze und Ziel der Wendung des Einzelnen in sich Flucht des (jetzt) Einsamen zum Einsamen. Dies liegt in der Konsequenz des Gedankens, daß Anähnlichung an den Ursprung für die Seele zu einer immer intensiveren Einigung (monosis) mit sich selbst führen müsse, was die Vorbedingung der letzten Einung ist.”

Proklos: “Die Einsamen, auf sich selbst Gewandten, tragen die Hoffnung auf Heil in sich selbst.”

Was aber kann denn das Eine sein in seinem Vor-Allem-Sein im Innersten, kommt es hierin nicht einer reinsten Definition von Ruhe gleich? Es entbehrt ja aller Qualität und Bewegung – nicht in dem Sinne eines Mangels oder irgendeiner Wegnahme – als reinstes Sein hat es ja bereits alles als tiefste Existenz in sich selbst, und daher – in sich schon höchst verwirklicht, nun ganz ohne Begehr oder Drang – ist dort alles (von uns, von unserer Position der Minderung aus gesehen) eben höchste Potenz zu Allem, die aber aus sich schon einen ewigen Bestand meint, und so auch ruhend auf sich selbst ist, was freilich ein höchstes Sein bezeichnet.
Das “dauerne Jetzt” ist die volle Vergegenwärtigung, die monosis hingegen, die fortwährende Angleichung hiermit indes trägt diesen Zug ins Leben, daß aus diesem Zustand – zuvorderst ein punktueller – schließlich eine allmähliche Hebung, später ein dauernder und letzter Zustand wird – monosis prägt und durchwirkt die Existenz zu einer Existenz solcher Art, die jenseits unserer Begrifflichkeit von Leben und Tod ein totales Kontinuum bildet – und diese ist in sich völlige Ruhe, da alle Potenz in höherem Maße sich eigen sein kann als jedes Explizierte, somit für sich (ruhend) stehen muß. Dies ist das eigentliche Leben, das eigentliche Existent-Sein selbst, jenseits aller Sehnsucht, jenseits allem Drang – als ein ewig ruhendes, totales, endbestimmtes und -verwirklichtes Sein.