Zahlhaft

Werner Beierwaltes über Bonaventura
“Alles ist zahlhaft, das heißt, durch Zahl bestimmt, in seinem Sein konstituiert und dadurch in ihm selbst und im Bezug zueinander geordnet. Zahl ist der Grund für die im Seienden insgesamt antreffbare Verhältnismäßigkeit oder Gleichheit von Verhältnissen; hieraus resultiert die Schönheit des Seienden – Schönheit als ontologische Kategorie ist, im Sinne Augustins formuliert und von Bonaventura erneut durchdacht, ‘nichts anderes als zahlenhafte Gleichheit.’ Damit ist freilich nicht die leere, tautologische oder formale Wiederholung von Formen gemeint, sondern vielmehr die vom Prinzip her geordnete Bezogenheit von Teilen auf ein Ganzes, die Organisiertheit eines Ganzen, sei dies naturhaft oder durch Kunst gestaltet, als innerlich bestimmende und äußerlich erscheinende Harmonie. Dieser qualitative Schönheitsbegriff gründet in dem spezifischen Begriff von Zahl, wie er in der pythagoreischen Tradition von Augustinus, Boethius und Bonaventura entwickelt und gebraucht worden ist: Zahl ist nicht als formal-abstrakte Benennung von Seiendem zu verstehen, sie ist vielmehr als der dem Seienden immanente, ontologische, apriorisch-qualitativ bestimmende Grund des Seienden zu denken.”

Volkmann Schluck zum Neuplatonismus: “Der sinnliche Kosmos entsteht dadurch, daß das dem Nous entgleitende Unbegrenzte zugleich aufgefangen wird, und zwar aus der begrenzenden Kraft der Zahl.”

Die Intention zur Idee bestimmt die Methode einer Abzählung, die entsprechende Form gebiert. Nicht aber ist die Zahl Form, sondern sie ist lediglich die notwendige Präposition, sie steht somit zwischen nicht-gestalthafter Idee (als grundlegender Anlage) und der explizierten Gestalt, und zwar in der Form (vor-)manifestierter Intention – daher kann ‘Zählung’ auch als apriorischer (quasi-monadischer) Vollzug bezeichnet werden. Die (hiesige) Gestalt wird indes erst zum Leben erweckt, indem das Konglomerat der Zahl in einer Übersetzung zum sichtbaren Attribut wird, indem es sich sinnhaft darstellt auf der Ebene eben der resultierenden Zuschreibungen aus seinem intentionalen Zusammengefügtsein. Dies impliziert etwa Form, Farbe, Bewegung und Verhalten, also Attribute der Bildlichkeit, oder übertragen eben auf die ontologische Struktur der Hiesigkeit per se von (bildhafter) Weltlichkeit, die im Akt des Sehens der präponierten Intention folgt und diese verwirklicht.