Platon und Nahtoderfahrung

Platonisch: “Im Tod löst sich die Seele vom Körper, das ewig Lebendige trennt und befreit sich von der nur durch seine Einwirkung belebten Materie. Vom Leib entbunden kann die Seele auf ungetrübte Weise erkennen, weshalb der wahre Philosoph den Tod als sinnvoll anstrebt.” (wikipedia)
Im Nahtoderleben kommt es zur  Einsicht, daß ein Tod gar nicht existiert, sondern vielmehr das Bewußtsein unvermittelt aus dem Körper austritt, nun der Umgebung aus Distanz und schon bald  einer ganz anderen, höheren Seinsebene gewahr wird. Dies Erleben ist von  gesteigerter, dynamisierter  Wahrnehmungsart, in höherer Intensität und Wirklichkeit als bisher bekannt. Das verlassene Sein wird als schattenhaft und uneigentlich empfunden. (Man beachte die direkte Korrelation zu Platons Höhlengleichnis.) Raum wird nun ganz anders erschlossen (nämlich ‘psychisch’), und Zeit scheint jede Bedeutung verloren zu haben. Apelt über Platon: “Raum und Zeit sollen für Platon keine objektive Bedeutung gehabt haben, sondern sollen lediglich unserem Geiste als dessen subjektive Auffassungsweise angehören.”
Derjenige, der den Nahtod erlebt, erlangt oft ungekanntes Wissen und so etwas wie eine  ganze Einsicht, über sich Selbst, seine Biographie, über andere und allgemein über die Fragen des Seins in toto. Bei Platon heißt Lernen Erinnern, das Totalwissen ist Attribut der Seinsart, die einst verloren wurde und wiedererlangt werden muß.   “…dem zufolge alles Wissen in der unsterblichen Seele immer schon vorhanden ist, aber bei der Geburt vergessen wird. Der menschliche Intellekt erschafft kein neues Wissen, sondern erinnert sich nur an das vergessene. Somit beruht jede Erkenntnis auf Erinnerung. Das Wissen steht der Seele zwar immer potentiell zur Verfügung, sie hat aber für gewöhnlich keinen Zugriff darauf.” (wikipedia)
Somit folgt die Entwicklung des Menschen  schon zur Lebzeit einem Telos -der im Tod erst recht belebt wird – der dem Aufstieg dient, der wiedererlangen muß, wessen man verlustig wurde. Demnach auch ist jenes, was auf der Zeitachse vor uns liegt, lebensreell als zivilisatorisch,  technisch sowie spirituell fortgeschritten zu verstehen. ‘Lernen ist Erinnern’ meint eine Rückbesinnung auf jenes Verlorene, was geschichtlich  aber erst noch entstehen muß. Die explizite Gewahrwerdung dieses  Zukunftsaspektes trifft allerdings eher auf die Erfahrung unter gewissen Entheogenen (wie DMT) zu, während die Nahtoderfahrungen in aller Regel eher die numinosen Aspekte zum Mittelpunkt haben, deren  übersteigende Qualität in der (bildloseren?) ontischen Verbundenheit einer (abstrakten?) geistnahen Sphäre bzw. Totalität liegen mag. 
Zentral ist auch die Gewahrwerdung eines unbeschreibbaren Lichtes in Verbindung mit der  Erfahrung einer bedingungslosen, umfassenden Liebe. Auch bei Platon ist das Höchste ja nicht ohne Qualität, gerade auch im Kontext negativer Theologie oder der Schilderung des ganz Anderen bleibt ihm doch ein ausschlaggebendes Attribut: Es ist das Gute. Bei Plotin dann ‘der liebende Geist’. Und selbst dieses ganz Andere, dieses Allerhöchste wird in wesenhafter Teilhabe erlebbar als ‘Licht vom eigenen Licht.’ So auch in der Nahtoderfahrung. Dies Erleben ist also zuletzt Betonung und Evidenz urplatonischer  Ansicht: Es (was Alles heißt) ist nur Eines -und dies ist das unabdingbare und unbedingte Gute.