Wirk-lichkeit

Hans-Peter Dürr sagt: “In der Physik ist die Wirklichkeit nicht Realität, sondern Potenzialität. Die ist nur die Möglichkeit, die sich energetisch und materiell irgendwo manifestieren kann, sozusagen als etwas noch nicht Entschiedenes, Schwebendes. Und diese Potenzialität ist räumlich nicht lokalisiert. Die Welt ist das Eine und Ganze. Das führt dazu, daß die ganze Welt überhaupt keine Ränder hat. Es gibt nur das Eine, und wir könnten sagen, es ist das Ganze. Das Ganze ist aber auch nicht das richtige Wort. Das Ganze ist ja etwas, dem kein Teil fehlt. Aber wenn es gar keine Teile gibt, dann können wir es auch nicht das Ganze nennen.”
J. M. Otto: “Es gibt also keine Teile. Das was wirklich zählt, ist die Verbindung zwischen den Teilchen, denn diese ist wirklich, sie wirkt. Es gibt also keine Existenz, sondern nur Wirklichkeit. Damit hat Dürr eine neue Verwendung für das Wort ‘Wirklichkeit’ gefunden, die eigentlich nicht neu ist, aber in ihrer wörtlichen Bedeutung eben so vorher nicht klar war.”
(“Er ist auch dafür, das Elementarteilchen nicht mehr Teilchen zu nennen, die sie ja nicht sind, sonder ‘Wirks’ oder ‘Passierchen’, weil sie etwas darstellen, das wirkt oder gerade passiert. Was wirkt denn nun gerade? Was bewirkt, daß mein Tisch eben nicht gerade verschwindet? Wenn man unzählige dieser Passierchen zusammennimmt und mischt, werden sich ihre Effekte mitteln, und es entsteht ein Durchschnitt.”)

Wirk-lichkeit
Dürr: “Die Materie kommt auf einer Ebene zustande, wo sich alles Wandelnde überlagert…” Dies in der Trägheit der Anschauung des Begriffes! Außerhalb dessen gibt es schlicht keine materielle Festigkeit. Materie ist Angeschautes im Mittel. Wirk-lichkeit ist vulgo jenes, was uns entsprechend der eigenen Aufnahmefähigkeiten erwirkt ist. Die höhere Wirkung hingegen, vor uns weitgehend sinnlich verborgen, ist bei ihrer Verschlossenheit erst zu eröffnen, zu durchdringen, auszuleuchten. Nicht also derjenige, der sich in diesen Prozeß stellt, ist erleuchtet, sondern er selbst erleuchtet die ‘Welt’ und sein eigenes, bzw. das ganze – eigentliche Sein. Diese anzustrebende Erfahrung von Wirklichkeit meint demnach keine Realitäts- oder Existenzminderung im Sinne einer Flucht vor der Alltagswelt, sondern im Gegenteil bezeichnet sie eine gesteigerte Durchdringung und Teilhabe zur Eigentlichkeit der Wirk-Faktoren, die viel tiefer fußen als im uns Ersichtlichen. Oder anders: Statt dem uns gebräuchlichen Verständnis von Wirklichkeit sollte man eher von einer Tatsächlichkeit sprechen. Tatsächlickeit ist uns ganz ein subjektiv wirksamer Ausschnitt der Wirklichkeit selbt. Sie ist dabei stets in ihrer Wirkung erkannte Dynamik des Höheren. Unsere Hiesigkeit meint ein Wirkendes durch unseren Filter der Perzeptionfähigkeit, insofern trifft auch der buddhistische Begriff der Illusion, des Truges kaum zu, vielmehr ist hier von einem ‘Filtrat’, von einem Abbild zu sprechen, denn auch einem Abbild kommt Wirklichkeit zu (siehe hierzu Platons Schatten im Höhlengleichnis), gemeint ist hier entsprechend geminderte Wirklichkeit. Je reiner oder freier die Perzeption oder Aufnahmefähigkeit für das Potentielle, desto geklärter der Blick in die Wirkkonzeptionen, die unserer Hiesigkeit kausal übergeordnet sind und weitaus realeres Wesen besitzen und Wirklichkeit viel größer und multidimensionaler definieren als die fassbare Tatsächlichkeit es uns zu vermitteln vermag.