Kraft in Allem

Plotin: “Indessen, wie kann das Ausdehnungslose denn sich erstrecken am Weltleibe, der doch eine so gewaltige Größe hat, und warum wird es dabei nicht zerrissen, sondern bleibt eines und dasselbe? …
Jene Wesenheit ist nicht wie Stein, nicht wie ein großer Steinblock, der liegt, wo er liegt, und so viel Raum einnimmt, wie er einnimmt, nicht imstande, über seine Grenzen zu treten, abgemessen auf dies bestimmte Maß sowohl der Masse nach wie nach der in ihr mit begrenzten Steineskraft; sondern sie ist die erste Wesenheit und nicht abgemessen noch begrenzt, wie groß sie sein darf (an ihr wird ja umgekehrt die andere Wesenheit gemessen), und ist ganz und gar Kraft, die nirgends auf bestimmtes Quantum festgelegt ist. Deshalb ist sie auch nicht in der Zeit; denn die Zeit zerteilt sich immer wieder nach Abstand, die Ewigkeit aber verharrt an der selben Stelle, vermöge ihrer immerwährenden Kraft ist sie stärker und reicht weiter als die Zeit …
Auf welche Weise wohnt sie denn nun bei?
Als ein einheitliches Leben; denn das Leben reicht in einem Lebewesen nicht etwa nur zur Grenze und kann dann nicht über das ganze Wesen vordringen, sondern es ist überall in ihm. Und fragt einer immer noch, auf welche Weise, so erinnere er sich daran, daß die Kraft nicht quantitativ bestimmt ist, sondern, wenn er sie in Gedanken ins Unendliche teilt, so erhält er immer die selbe Kraft, sie ist aus der Tiefe her unendlich; denn sie hat nicht in sich Materie, damit sie dann mit der Größe der Masse abnehmen müßte und kleiner werden. …
Entweder vermagst du mit ihr Schritt zu halten, vielmehr trittst ins All ein, und dann wirst du nichts mehr suchen; oder du versagst hierin, dann wirst du vorbei und auf etwas anderes geraten und zu Fall kommen; wirst das, was zugegen ist, nicht sehen, da du auf etwas anderes hinsiehst.”

Hier kann angefügt werden: Die Negation der Immanenz meint eine Exklusion und Zerstreuung, die eine Kraftminderung darstellt – denn jenseits biologischer Disposition und Destinantion muß eben alles sich selbst als Alles bewußt werden und so sich selbst werden im Eigentlichen, und dieses Vorgehen alleine ist schon höchst kraftvoll, das Ergebnis aber birgt reines Kraftsein – ein Energie-Sein als ‘energeia’ – als verwirklichendes -verwirklichtes – Tätigsein des ursächlichen Eigen- Seins in Geistwerdung. Der Weg hierher – hindurch durch die Form – soll sich intentional auf das Telos richten. Denn alles dient dem Werk! (Während die gegenteilige Sicht in die Schwäche und Verkümmerung führt. Ironischerweise wird dies im Weltlichen meist als lebensvoll betrachtet.)

Zur Grundierung dieses All-Seins auch die östliche Konzeption des Atman: “Der Atman ist die unsichtbare Grundlage, das wirkliche Selbst, die Weltseele. Atman ist der göttliche Funken in jedem Menschen, die Wirklichkeit hinter jedem Schein. Der Atman ist frei von jeglicher Bindung. Er handelt nicht, besitzt nichts, stirbt nicht. Er ist unsterblich. Er ist das Wesen des Individuums, der Zeuge, jenseits von Zeit und Raum. Er wohnt als Geist, umgeben von fünf Hüllen (Koshas) im menschlichen Körper und verbirgt das Geheimnis dessen, was sich physisch fassen lässt.”
Und dies wiederum leitet ungetrennt zum tiefsten Existenzgrund Brahman: “Brahman “Das Absolute, das Allumfassende, das Universelle. Es ist das alles durchdringende, göttliche, namenlose, formlose, ewig absolute, allem innewohnende Prinzip. Brahman ist das Selbst, das wahre Ich eines jeden Organismus und die höchste nicht-duale Wirklichkeit. “