Jenseitsprägungen

In unserer Vorstellung vom Jenseits neigen wir zu schnell dazu, von unseren diffus-religiösen Prägungen auszugehen, die bereits nach der Bedeutung dieses Wortes einen postmortalen Zustand jenseits des Lebens annehmen, der jenseits der physikalischen Welt des Menschen liegend, freilich eher selten im Detail ausgeführt, als ein Zustand der Gottesnähe verheißen wird.
Ich bin aber der Ansicht, daß diese Begrifflichkeit überhaupt nicht den Kern unserer (End-)Bestimmung treffen kann. Das Jenseitige muß vielmehr als Aspekt des Ganzen, als das Hier-und Dort- und Überall-seitige erörtert werden. Es eröffnet sich ein Gesamtszenario, ein ganz großer Rahmen vieler Dimensionen und Zustände, den wir von unserer jetzigen verkürzten Warte aus lediglich nicht überschauen können. Der Begriff “Jenseits” kommt so eher einem Platzhalter gleich, der uns zur Repräsentation des bis dato Abgewandten dient. Weiter kann man so die Bedeutung von “Jenseits” dieserart umkehren, daß es unser abseits-Sein vom angenommenen Gesamtzustand bedeuten würde, daß wir in einer “Einfaltung”, also einer Niesche der eigentlichen (Über)Realität leben und uns daher tatsächlich “jenseits” des Ganzen befinden.
Die moderne Physik wie die alte esoterische Schule weiß darum, daß Zeitlichkeit, Räumlichkeit und Kausalität in einer meta-anthropozentrischen Sicht ohne weitere Evidenz sind, daß diese Größen allein schon bei gesteigerter Wahrnehmungsfähigkeit(wie etwa im technischen Versuch) zumindest weit veränderten, nahezu ungeklärten Gesetzmäßigkeiten zu folgen haben. Allein schon daher kommt man in Schwierigkeiten, möchte man als Jenseitsbestimmung von einem Danach oder Darüber sprechen. Mögen wir auch streng der zeitlichen, räumlichen wie metaräumlichen Nach-Tod-Illusion unterworfen sein, so ist es aber gerade die Transzendierung unserer Vorstellung von der Abfolge “Leben-Tod-Nachtod”, die uns langfristig aus dem religiös-Nebulösen einer demütigen, abwartenden Unwissenheit herauszuführen vermag.(Gleichsam den indischen Maya-Schleiern, die zu zerreißen sind). Denn de Fakto sind wir bereits mitten im Jenseits angekommen, das Jenseits ist hier, groß, wahrer als alles andere uns sichtbar Umgebende. Es existiert wie ein riesiges Haus, in dem wir bisher lediglich eine winzige Kemenate bewohnen. Aber auch: Man hat uns den Schlüssel genommen, der uns aus der Enge dieses Refugiums zu befreien vermag, um nun ungehindert durch die weitläufigsten Gänge und schönsten Zimmer wandeln zu können. Zeitgleich drängt es uns zu Erkenntnis, denn Erkenntnis ist unser Synonym für den “verlorenen Schlüssel”, denn wir streben von Anbeginn unserer Bewußtwerdung zur Wahrnehmung der uns umgebenden Totalität, zur Selbstfindung und Durchleuchtung im Ganzen, im Total-Raum. Erkenntnis aber setzt Wissen auf allen Ebenen vorraus, was uns abermals die Zielrichtung der menschlichen Bestimmung verdeutlicht: Gnosis.