Fichte, Erhebung

Fichte: “Ich erhebe mich in diesem Standpunkt und bin ein neues Geschöpf, und mein ganzes Verhältnis zur vorhandenen Welt ist verwandelt. Die Fäden, durch die bisher mein Gemüt an diese Welt angeknüpft war, und durch deren geheimen Zug es allen Bewegungen in ihr folgte, sind auf ewig zerschnitten, und ich sehe frei, und selbst meine eigne Welt, ruhig, und unbewegt da. Nicht mehr durch das Herz, nur durch das Auge ergreife ich die Gegenstände, und hänge zusammen mit ihnen, und dieses Auge selbst verklärt sich in der Freiheit, und blickt hindurch durch den Irrtum und die Mißgestalt bis zum Wahren und Schönen, so wie auf der unbewegten Wasseroberfläche die Formen rein und in einem mildern Licht sich abspiegeln.”

Volkmann-Schluck über den Neuplatonismus: “Die ungeteilte Ganzheit des Einen entzieht sich dem Zugriff des umgreifenden Erkennens, weil es selbst das alles Umgreifende ist. An das Eine darf also nicht die Was-Frage gestellt werden. Erst wenn das Denken sich aufgegeben hat, ersteht das reine Sein selbst, das nicht als ein Etwas gemeint ist.”

“Die Seele, die bei ihrem Rückzug im Vollzug der Selbstbestimmung auf die in sich geeinigte Ganzheit des Nous blickt, darf daher nichts mitnehmen von Vorstellungen aus der zerstreuten Sinnessphäre, die zerstreuend ist. Erst im Geist wird der Bezirk erreicht, von dem aus das schlechthin ungegenständliche Sein des Einen zugänglich wird. Sein Innewerden zwingt zum Rückzug des Denkens aus der Vielheit seines Gedachten in eine neue Einheitsdimension von seinsspezifischer Andersheit.”

“Der Nous muß sich aus der Vielheit des Gedachten herausnehmen und sich ganz dem zuwenden, was da in ihm geschieht, wenn er denkt. Nur dem in sich zurückgehenden Denken wird das Eine und Ganze des Seins offenbar.”

Mein Zusatz: Dies alles behandelt also keinen abtrakten Denk-Gegenstand oder ganz allgemein etwas Unerklärliches, Theoretisches, vom unmittelbaren Erleben Abgeschnittenes oder Entferntes. Es geht hier vielmehr um eine (erhöhte) Lebenspraxis, die auch als (wahrer) spiritueller Vollzug bezeichnet werden kann. Das Auge, das sich nach Fichte verklärt, meint Denken, Sehen und Empfinden, vereint zu einer einzigen Ansicht als dem ganz konkreten Erleben und (Selbst-)Sein höherer Welt.