Plotin: “Denn wir und das Unsere sind in Beziehung zu dem Seienden, wir steigen hinauf zum Geist und dem, was das erste nach ihm ist, und denken jene Dinge und haben doch keine Nachbilder und Abdrücke von ihnen; und wenn das nicht, so denken wir es, indem wir es selber sind. Wenn wir nun teilhaben an der wahren Wissenschaft, so sind wir jenes, nicht indem wir es in uns abgesondert fassen, sondern indem wir in jenem sind. Da aber auch die andern Dinge und nicht nur wir jenes sind, sind wir alle jenes. Wir sind also alle beisammen, indem wir jenes sind; wir sind also alles und damit Eines. Wenn wir unsern Blick auf das richten, was außerhalb dessen liegt, mit dem wir verknüpft sind, so wissen wir nicht, daß wir Eines sind, so wie sich nach Außen eine Mehrzahl von Gesichtern kehrt, die nach innen alle an einem Scheitel zusammenhängen. Wenn einer sich aber zurückzuwenden vermag, entweder von sich aus oder weil zu seinem Heile Athena selbst ihn herumreißt, so schaut er sich selber wie einen Gott und das All. Zunächst freilich wird er sich nicht als das All erschauen, dann aber, da er nicht weiß, wohin er sich selber stellen und wie er die Grenze ziehen soll, bis zu welcher er selber reicht, wird er davon ablassen, sich selber von dem gesamten Seienden abzugrenzen, und so zu dem gesamten All gelangen, wobei er nirgendwohin fortzuschreiten braucht, sondern dortselbst verbleibt, wo das All gegründet ist.”
Hier kommt der plotinische Immanenzgedanke ganz zum Tragen: Im Hiersein schon wird der Blick zum All(es) gerichtet – dies meint auch:
Das sichtbare Sein der Person ist Erscheinung ‘des Außerhalb’ – und indem man dies erkennt, wird die Durchsicht auf die Eigentlichkeit hinter der Person entwickelt und in einer viel weiter gefaßten Gebundenheit gesehen. Ein Über-Sein wird zur natürlichen Empfindung oder Ahnung, wird lebensreell zur wirkvollen Allverbundenheit in einer Tiefe über jeder Individuation – Wesenheit wird ganz umfassend (vom Subjekt) definiert und das hiesige Eigene auf die ihm zugehörige (niedrige) Ordnung verwiesen. ‘Sein’ heißt so hinter das Objektivierte gehen, in Verallgemeinerung, Abstraktion und unteilbarer Empathie. Und dies geschieht im Hiersein (idealiter) auch exemplarisch (oder bedingt) in der Liebe zu nur einer Person. ‘Exemplarisch’ daher, weil Liebe gerade Verallgemeinerung zur Totalität der Annahme, und nicht Exklusivität und Exklusion meint. In einem nächsten Gedanken sucht sie daher aus ihrem Überfliessen einen Weg in die Drei. Joseph Schmidt über den mittelalterlichen Theologen Richard von St. Viktor: ”Der Geist ist derjenige in der Liebe, auf den hin sich die Liebe öffnet. Liebe will sich weiter mitteilen und schafft so Raum für den Dritten. Von Liebe kann nach Richard von St. Viktor erst dann gesprochen werden, ‘wenn die Neigung der Beiden in der Flamme der Liebe zum Dritten ununterschieden zusammenschlägt.”