C.G. Jung: “Der Gedanke einer Gleichartigkeit der bewußten Psychen ist eine akademische Chimäre, welche die Aufgabe eines Dozenten vor seinen Schülern vereinfacht, die aber vor der Wirklichkeit in nichts zusammenfällt. Ganz abgesehen von der Verschiedenheit der Individuen, deren innerstes Wesen durch Gestirnsweite geschieden ist vom Nachbarn, sind schon die Typen als Klassen von Individuen in sehr hohem Maße voneinander verschieden, und ihrer Existenz sind die Verschiedenheiten allgemeiner Auffassungen zuzuschreiben. Um die Gleichartigkeit der menschlichen Psychen aufzufinden, muß ich schon in die Fundamente des Bewußtseins hinuntersteigen. Dort finde ich das, worin alle einander gleichen. Gründe ich eine Theorie auf das, was alle verbindet, so erkläre ich die Psyche aus dem, was an ihr Fundament und Ursprung ist. Damit aber erkläre ich nichts von dem, was an ihr historische oder individuelle Differenzierung ist. Mit einer solchen Theorie übergehe ich die Psychologie der bewußten Psyche. Ich leugne damit eigentlich die ganze andere Seite der Psyche, nämlich ihre Differenzierung von der ursprünglichen Keimlage. Ich reduziere gewissermassen den Menschen auf seine phylogenetische Vorlage, oder ich zerlege ihn in seine Elementarvorgänge, und wenn ich ihn aus dieser Reduktion rekonstruieren wollte, so käme im ersteren Fall ein Affe heraus und im letzteren eine Anhäufung von Elementarvorgängen, deren Zusammenspiel eine sinn-und zwecklose Wechselwirkung ergäbe.”
Und an anderer Stelle: “Durch Verschmelzung mit Nichtzugehörigem ist das Gerichtetsein unmöglich gemacht; nur eine differenzierte Funktion erweist sich als richtungsfähig.”
In C.G. Jungs Worten schwingt eine klare Tendenz zum Weltenlauf als einer Teleologie (der Differenzierung -man kann auch sagen: der Bewußtmachung). Dieser Prozeß ist von psychologischer Relevanz, weil er sich – global vollziehend – doch im Innen eines jeden Einzelnen abbildet und ausbilden muß. Die Entfernung von der erwähnten Keimlage meint für das Individuum Spezialisierung und Individuation. Die Verschiedenheit zum Ursprung ist so eine in der Distanz gegebene Möglichkeit zur bewußten Durchdringung der unbewußten Ursächlichkeit – der Mensch wirkt hier fundamental an der Bewegung von Explikation und Rückbewegung mit, und diese führt zur geistigen (überstofflichen) Natur. Dabei geht die Bewußtwerdung noch über den Eidos hinaus, schwingt sich auf zur Verursachung des Eidos.
In Bezugnahme zur Weltgeschichte ist dann alle Differenzierung Weg und Gebot der Wiedererlangung. Über die Spezialisierung gelangt man zur Einheit. Neuplatonisch sagt Volkmann Schluck: “So wird die Selbstdifferenzierung des Nous für die Seele zum umwegigen Durchlaufen ihrer Denkgehalte.” Solange im Weltenaufzug dabei das Dialektische von Irrtum und Fehlerhaftigkeit charakterisiert und dominiert ist, ist die aktuale Lage von Abstieg, Verlust (an Differenzierung), Unfreiheit, Unterdrückung, (auch ‘geistigem’) Faustrecht, Unwissen, Verwirrung und Chaos geprägt. In weitaus größeren Zeiträumen gedacht begegnet uns dieses Konzept beispielsweise in den Weltenaltern des Hinduismus. Für unsere Gegenwart: Im Gesamtaufzug der Entwicklung ist die jetzige Epoche eine niedergehende, deren positiver Nutzen darin liegt, als sie eine Erfahrung über die Konsequenz fehlender Verortung (durch falsche Religion und durch ein falsches Materie- bzw. Materie/Geist-Verständnis) darlegt. (Was auch Definitionen der hinduistischen Kali-Juga-Konzeption gleichkommt.) Vor allem zeigt sich dies aktual durch einen ‘vorgezogenen’ Einheitswillen, der auf falschen Prämissen bauend nur Verwerfung gebären kann, da im Einzelnen und potenziert in Gruppen noch bei weitem kein inneres Wissen und Gleichauf bezüglich der Grundlagen und Grundsätze zur Einheitsfindung besteht. Anders gesagt: Die Differenzierung ist noch in einem auseinanderstrebenden Prozeß befindlich – der wegen der Verschiedenheit der Motivationen ganz verschieden Position zum Telos bezieht. Ohne Annäherung aber der inneren Bezüge und Antriebe keine Erwirkung grundlegender Freiheit. Und diese ist jedoch Voraussetzung für die Abscheidung der Befangenheit, des Irrtums und aller Hinderung oder Exklusion und so zur an einigenden Prozessen interessierten Gesamtfindung.