Thomas Müntzer findet heute im Vergleich mit anderen Reformatoren nur randständig Beachtung und wird zumeist ausschließlich mit den Bauernkriegen in Verbindung gebracht. Tatsächlich hat er mit Klarheit den Verfall des Christentums in seiner Zeit erkannt und in seiner pastoralen Tätigkeit vor allem Schritte eingeführt, um das Religiöse, das mittlerweile ganz seiner Bestimmung entrissen war, wieder zuruckzuführen, nämlich dem Eigenen, -dem Inneren religiösen Kern des Menschen-und somit darüber hinaus dem eigentlichen Körper der Kirche, also dem Volk.
Müntzer: Der Mensch”sol und muß wissen, das got in ym sey, …das er yn nicht außsinne, wie er tausent meilen von ym sey, sonder wie himel und erden vol, vol Gottis seint, und wie der vatter den son in uns ohn unterlaß gebiret, und der heilige geist nit anders denn den gecreuzigten in uns durch herzliche betrubnis erklaret.”
H.J.Goertz:”Mit der Einführung der Kindstaufe, d.h., dem Vollzug des Sakrements an Unmündigen, Unbelehrbaren , ist der “Eingang zur Christenheit zum viehischen Affenspiel geworden.” (Eine starke Übereinstimmung mit den Katharern)
“Sowohl die alten als auch die neuen Theologen verhinderten die Ankunft des Glaubens und nähmen dem gemeinen Mann jede Möglichkeit, in ein unmittelbares Verhältnis zu Gott zu treten.”
“Es muß ein yeder die kunst gotes, den rechten christenglauben nit durch stickenden athem teüfflischer scrifftgelehrten überkummen, sonder durchs ewige, krefftig wort des vatters im sun mit erleutherung des heyligen geyst und also erfüllet werden in seyner selen in die lenge, in die wyte, in die breyte, in die tieffe, in die höhe.”
Hier ist bis in den Wortlaut hinein Müntzers Anbindung an Meister Eckarts Texte zu erkennen, freilich hat er diese über Tauler aufgenommen, bezeugtermaßen in seiner Zeit im Zisterzienserkloster Beudenitz .
“Es sind nicht nur die Wittenberger, sondern auch die Fürsten, die sich der Ankunft des Glaubens in den Weg stellen und das Volk in Abhängigkeit, Angst und Not halten, …besonders aber fürchtet der Mensch die Obrigkeit, die eingesetzt ist , “nicht umb der forcht des gutten wercks, sondern umb der hengerischen forcht des bösens.”
Wenn Ludwig Marcuse sagt, “Eckehart war in der Tat viel gefährlicher als später Luther, als die Entlarvung des Priesterbetrugs im achtzehnten Jahrhundert, als der harmlose Atheist des zwanzigsten.”, so stellen wir fest, daß diese Gefährlichkeit in Männern und Mystikern wie Müntzer zu wirkmächtiger Entfaltung kommt . Meister Eckharts gedankliche Sprengkraft kommt über Tauler zu Müntzer und ist indes Konsequenz aus der Adaption platonischer (mystischer) Prämissen über die Seinsteilhabe jedes Einzelnen am Absoluten.