Das Böse, das Antigeistige

Ivan Iljin: “Die Moral des L. Tolstoi sieht in der Idee des Guten das Element der Liebe und nicht das Element des Geistes. Deswegen bestätigt sie als den höchsten Wert die geisteslose und antigeistige Liebe, die sich als willenloses, sentimentales Mitleid erweist und hinter sich alle höchsten Lebenswerte auf die Ebene der elementaren, instinktiven Herzlichkeit schleppt. Demzufolge sieht die Moral des L. Tolstois in der Idee des Bösen das Element des Hasses, und sieht nicht das Element der Antigeistigkeit. (deswegen erblickt sie die schwerste Sünde in der Feindschaft oder in ihrer äußeren Manifestation, verurteilt die geitig richtige Trennung von Wohl-und Übeltätern, und sieht nicht, daß sie selbst in ihr ‘Ideal’ den Charakterzug der wesentlichen Bosheit -der Antigeistigkeit – ,mit einschließt. Demzufolge erweist sich die ganze Lehre über das Gute und das Böse als verzerrt und haltlos.”

Ohne diese Kritik an Tolstoi in dieser Konsequenz zu teilen, verstehe ich diesen Satz als geeignete Ergänzung  zum Verständnis eines wesenhaften,  ontologisch Bösen zu meinem Artikel über das moralische bzw. einen lebenspraktischen Vollzug des  Bösen.  Definiert man das Höchste (platonisch) als gut -und dieses ist transzendent –  dann ist jede Anschauung, jeder Faktor, der von dieser eigentlichen Bestimmung fernhält (also im materialistisch-Profanen verharrt), von grund auf antipodisch, demnach als böse zu nennen. Dies ungeachtet der individuellen moralischen oder ethischen Vollzüge, die sich in diesem Kontext divergierend verhalten können (und dies nicht selten wirkungsparadox),  denn im Falle einer  Unbewußtheit über den eigentlichen Rahmen der Verortung sind die ethischen Vollzüge nicht konsequent  rückgebunden.  (Mitunter bezeichnen sie so also auch eine Kraft, die – so könnte man es ausdrücken –  stets das Gute will und doch das Böse schafft.)  Zum Unterschied zum sich im Alltag bewährenden ethischen Vollzug  muß man hier von der Mittelbarkeit sprechen, da  sich eine solche wesenhafte Qualität (des Bösen)  mitunter subtiler(bis hin zur Unkenntlichkeit) zeigt, dabei aber umfänglicher -total – ist,  dem Menschen aber oft nur übersetzt  in der von Innen heraus in ihm wirksamen verschiedenen Defizienz erschließbar wird, die in  Verwirrung, Verkehrung, durch Sinn-und Ziellosigkeit,  durch Angst und durch die mangelnde Perspektive, diese Defizienzen  sinnhaft (nämlich in Rückbindung an das transzendente Prinzip) aufzulösen, sichtbar werden kann. In dieser Hinsicht ist das Anti-Geistige (besser: das den Geist überhaupt Negierende) auch überindividuell durch Zwang, Oktroyierung, als Hinderung – auch Travestie- der geistigen idealistischen Prozesse identifizierbar und in diesem verkürzenden Sinne auch als Immanenzüberschuß (oder Immanenzverdichtung  (Peter Strasser) zu beschreiben, der, den transzendenten Raum negierend, seine aber daher nicht  weniger vorhandenen Inhalte ins Hiesige ziehend, die Immanenz mit uneinlösbaren (utopischen) Anforderungen überfrachtet. Die derart (politisch) vollzogenen Weltprozesse, die ins größere Unglück führ(t)en, sind wohlweislich bekannt und ereignen sich auch heute, wenn auch mitunter weit subtiler, was  ihre Gefährlichkeit sogar steigert.  
Eine Anmerkung zur Tolstoi-Kritik:  Tolstoi ist noussphärischer, idealistischer Christ und natürlich erschließt sich für ihn das Geistige über die altruistische, liebende Öffnung im konkreten lebensphilosophischen Vollzug, was ja wegen dem Wesen des Einen konsequent erscheinen muß. In der Tat besteht hier aber gleichzeitig die Gefahr, die Transmissionen  des Guten zu unterminieren oder sogar zu zerstören, indem man das Gute durch einen selbstauflösenden Vollzug (eines Radikal-Altruismus) gerade abschafft.  
Tiefste Grundlage für jede Defizienz am Guten ist das Unwissen über das Wesen bzw. die Leugnung oder Verkehrung des Transzendenten. Verheerend wäre die Preisgabe des Guten an diese Prinzipien.