Tierrecht und Amphibiencharakter der Seele

Magnus Schwantje : “Keine andere Ansicht steht heute der Ausbreitung einer altruistischen Weltanschauung so sehr im Wege wie die, daß das Tier keiner sittlichen Regung fähig sei und in der Natur nur ein rücksichtsloser Kampf aller gegen Aller herrsche. Solange die Menschen in dem Leben in der freien Natur nur einen egoistischen Kampf sehen, werden sie darin auch die Rechtfertigung ihres eigenen Egoismus erblicken. Wie sehr der moderne Mensch auch das Bewußtsein des Zusammenhanges mit der Natur verloren hat, in seinem Inneren bleibt er doch davon überzeugt, daß die Gesetzte, nach denen die gewaltigen Vorgänge in der Natur verlaufen, auch für das Menschenleben und für die Entwicklung des Menschengeschlechts gelten.

Genau hier könnte  der Blick auf die Doppel-Natur des Menschen bei Plotin weiterhelfen. Tatsächlich ist der Mensch zu einem Teil mit seinen animalischen Bedürfnissen ganz in der Körperwelt verhaftet (und diese bedeutet Kampf und Auseinandersetzung), es wäre also zwecklos, eine Absetzung von diesem Naturzustand zu propagieren -um welche  zweite höhere Natur sollte es sich schließlich handeln, wenn man von  materialistischer Warte aus ganz den diesseitigen Bedingungen verhaftet bleibt, und welches nicht-naturalistische Argument sollte verfangen, wenn man schließlich selbst den Geist als Abfolge biochemischer-also natürlicher /materieller Prozesse deutet, woher dann das (moralische)Streben ?
Ganz anders nämlich weist der plotinische Amphibien-Charakter der Seele eben die Möglichkeit und mehr noch die Pflicht, den Menschen abseits seines unteren Aspektes  von seinem geistigen Sein  aus auf seine  eigentliche entsprechende  Herkunft und Verortung zurückzuverweisen, wobei dies nicht dem Gnadenakt einer hypothetischen Meta- Instanz überantwortet ist, sondern ganz dem Auftrag zur täglichen (moralischen) Läuterung  der Seele selbst -als Selbtvergewisserung zum Guten- obliegt, denn das Ziel dieses  Strebens ist zuletzt  das Eine, das zugleich das Gute ist, demnach ja  jedes Verletzen eines anderen Individuums gegen dieses Prinzip verstossen muß. Hierzu sehr passend könnte man das Wort des indischen Titankaras  Mahavira anfügen (dessen Denken eine ähnliche ontische Prämisse zugrunde liegt): “Das ist fürwahr das Hauptstück des Wissenden, daß er nichts, aber auch nichts verletzt.”  Die (vegane) politische Linke hat sich  in der Tradition der Herabtransformation dieses  idealistischen Blickes auf die Selbstexpikation  des Einen mit dem Ziel auf sich selbst in der Vervollkommnung zurückzukommen  (absoluter Geist/ Hegel) alleine auf dessen gesellschaftliche bzw. realpolitische Implikation (Linkshegelianismus/Marx) beschränkt und damit  heillos in der sichtbaren Natur  verstrickt, daher nun fehlt ihr dieses ganz fundamentale  Argument, um eben eine “bessere Natur” des Menschen (und damit  eine höhere Moralität) oberhalb der “natürlichen Natur” zu proklamieren. Dabei brächte dieses Argument keinen Verlust an einer gesellschaftlichen, evolutorischen und emanzipatorischen Stossrichtung (im Gegenteil fundiert sie diese erst befriedigend), da die individuelle  Ablösung vom Animalischen zum überraumzeitlich Geistigen eben auch im Ganzen eine Progression der Gesellschaft und ihrer Bedingungen zum Positiven bewirken muß, da die Vergeistigung -auf die ganze Gesellschaft übernommen- in ihrer Gesamtheit auf das Eine verweist, und somit auf das Gute.