Ding an Sich

Laut Rudolf Steiner kann ein Kant’sches Ding an Sich nicht sein, da alles – alle Dinglichkeit gleich welcher Stufe – noch im Sehen des Wahrnehmenden ist und so auch im Höheren aposteriorisches Perzeptionserzeugnis bleibt. Denn auch die höhere Wahrnehmung (das feinstoffliche Sehen) schafft sich die ihr passenden – höheren – Dinge, man denke hier an die psychische Qualität des Jenseitigen, das in seiner Bildlichkeit durchaus durch das Bewußtsein geprägt erscheint. Überhaupt ist ein Außen prinzipiell ja nur solange erkennbar, wie die Subjekt-Objekt Korrelation nicht gänzlich zur Aufhebung kommt.

Zitat: “Der Gedanke des Dinges an sich bezeichnet hier nur eine Verlagerung dieser Evidenzgrenze in eine höhere Ebene, da das objektbildende Sehen zuletzt ein Sehen der höchsten und einzigen Identität werden muß. Folgt man aber dem Menschen – als einem ebenso perzeptionell hervorgebrachten Ens – über sich selbst hinaus, so muß er zum Beobachter werden, der die Grenzen des Wesens des Vorfindlichen mit seiner steigenden Möglichkeit schritthaltend weiter verschiebt, bis er zuletzt in diesem Prozeß nur das aufsteigende Eine und seine Bilder erkennt, die zur Entbildlichung und Einsheit kommen und ihn so seiner vermeintlich begrenzten Entität enthebend zum einzigen Selbst bilden.
Angelus Silesius sagt:
‘Wohl dem, der solche Münz in reiner Leinwand trägt.
Das Bildnis Gottes ist der Seelen eingeprägt.’ “

Nun aber Viktor Solowjew über Kant, demnach jener selber genau eine Interpretation vorgenommen hat, die mit R. Steiners Ansicht in Deckung gebracht werden kann: “Wie können wir die außer uns befindlichen und von uns unabhängigen Dinge oder Gegenstände erkennen? Diese für das naive, unmittelbare Bewußtsein nicht bestehende, aber die Hauptaufgabe jeder Philosophie bildende Frage wird von Kant mit besonderem Scharfsinn und Originalität gestellt und gelöst. Unser Geist kann die Gegenstände darum erkennen, weil alles in ihnen Erkannte von diesem Geist selbst nach den ihm eigenen Regeln oder Gesetzen erzeugt wird. Mit anderen Worten: die Erkenntnis ist darum möglich, weil wir keine Dinge an sich erkennen, sondern deren Erscheinung in unserem Bewußtsein, die nicht durch etwas Äußeres, sondern durch die Formen und Kategorien unserer eigenen geistigen Tätigkeit bedingt ist.”
Diese Kategorien unserer geistigen Tätigkeit sind freilich die neuplatonischen Logoi, also form-und weltbildende Strukturen der Seele in ihrer ontologisch höherrrangiger Ansicht. Für den Neuplatonismus: “Die Seele enthält rationale Strukturen (logoi), die auf die im Geist/Sein enthaltenen Formen zurückgehen; und wenn die Seele diese logoi anschaut, ensteht auf selbstverständliche, unthematische Weise die sinnlich wahrnehmbare Welt.” (K.Kremer)