Werner Beierwaltes über Cusanus: “Dem Geist allein ist trotz seines Bewußtseins von der Inkommensurabilität der beiden Dimensionen die denkende Entgrenzung eben dieser Differenz möglich, indem er – wie der Kosmos eine ‘infinitas finita’ – das Unendlichkeitspotential in sich selbst vor allem durch ratio, intellectus, voluntas und amor entfaltet. Die Einsicht in die infinitas absoluta, quam video finem infinitum – ‘absolute Unendlichkeit, die ich als un-endliches Ende (Ziel) sehe’ – , erfordert eine ‘docta ignorantia’, die sich selbst in der Erfahrung der eigenen Endlichkeit und ihres Grundes darüber ‘belehrt’, daß das göttliche Prinzip zwar unendlich ist, aber als solches in einer vermittelnden Begriffsform gerade nicht wißbar ist. Diese Einsicht lähmt jedoch die Denkbewegung nicht, führt nicht in skeptische Resignation oder reinen Fideismus, sondern erwirkt gerade die höchste Anstrengung des Begriffs, um diesem Ziel über den Begriff hinaus möglichst nahe zu kommen. Nur einer derartigen Bewegung gelingt letztlich der Überstieg des Murus Paradisi; ‘Mauer des Paradieses’ nämlich symbolisiert den durch ‘intellectus’ noch faßbaren Gedanken der ‘coincidentia oppositorum’, stellt aber zugleich die Grenze zum absolut Unendlichen dar: in quo habitas (Deus).
Diesem hier nur unzulänglich andeutbaren Weg des Cusanus zur ‘infinitas absoluta’ steht das ficinianische Konzept eines durch Selbstreflexion und Kreativität bestimmten Geistes nahe, der sich alle Felder des Wissens in intensivster Weise erschließt und damit die ihm immanenten Möglichkeiten zu Unendlichem entfaltet.”
Volkmann-Schluck über den Neuplatonismus: “Das Wesen des Seins ist selbstschöpferisches Erwirken. Über-sich-Hinausgehen, ohne daß die Potenz selbst eine Einbuße an Sein erlitte und sich verbrauchen könnte.”
“Das Wesen des Seins ist Dynamis, schöpferisches Aus-sich-heraussetzen eines Denkendseienden in der immanenten Betätigung seiner selbst, Manifestation seiner Macht.”
“Gestalt ist die Weise, wie sich dem Denken etwas zeigen kann, nämlich als in seinem Einssein unangreifbares Ganzes. Das Denken ist selbst vom Charakter der Gestalt. Dem sich abscheidend zurücksehenden Denken wird offenbar, was im Ursprung ungeteilte Einheit bleibt: das in die Sichtbarkeit tretende Leben des Geistes, die sich begreifende und artikulierende Schaffenskraft, die sich zu einem Ganzen der intelligiblen Wesen aktuiert.”
Freilich ist dies der Weg des Wissenden, des Philosophen, nicht des Gläubigen.
Arthur Schopenhauer sagt: „Wer ein Rationalist seyn will, muss ein Philosoph seyn und als solcher sich von aller Auktorität emancipieren, vorwärts gehn und vor nichts zurückbeben. Will man aber Theolog seyn; so sei man konsequent und verlasse nicht das Fundament der Auktorität, auch nicht, wenn sie das Unbegreifliche zu glauben gebietet. Man kann nicht zweien Herren dienen, also entweder der Vernunft oder der Schrift. (…) Entweder glauben oder philosophieren! was man erwählt, sei man ganz.“
Und zur Aktuierung zum Ganzen der intelligiblen Wesen:
Die Summe jener ist zuletzt in der Ansicht ihrer überraumzeitlichen Verortung und Zusammenkunft Signum des Unendlichen. Es ist die Ansicht von aller Entität, die jemals existiert hat und existieren wird und alle Verbindung, aller Zusammenhang darin (denn Intelligibilität ist prinzipiell in Allem). Dies aber ist dem menschlichen Geist offensichtlich unvorstellbar. Und doch wurde diese Ansicht wiederholt beschrieben. Wir kennen sie aus Nahtoderfahrungen und aus der Philosophie Giordano Brunos mit dem Hinweis, daß sich die unzähligen Einzelseelen im Weltall nicht gegenseitig behinderten, sondern daß sie vielmehr unzähligen Lichtern gleichzusetzen seien, welche sich zur Einheit des allumfassenden Lichtes zusammenfügen.