Handlung, Übersprung

Plotin: “Nun ist es möglich, glückselig zu sein, ohne sich auf Handlungen einzulassen, und zwar nicht weniger, sondern mehr als wenn man handelt. Ferner, die Handlungen bringen nicht von sich aus das Glück, sondern es sind die inneren Zustände, die auch die Handlungen erst schön machen; der Edle genießt auch im Handeln des Guten, nicht weil er handelt und nicht infolge der äußeren Umstände, sondern aufgrund seines inneren Besitzes. … Die Glückseligkeit dagegen in die Handlungen setzen, heißt sie in Dinge setzen, die außerhalb der Seele und der Tugend liegen. Denn die Betätigung der Seele liegt in der Verständigkeit und in einem eben solchen in sich selber Wirken; und darin liegt die Glückseligkeit.”

Die Handlung, ein Tätigwerden impliziert somit schon Minderung des Glückszustandes. Wir finden in der Bhagavadgita den Satz: “Doch aus den Taten” (des Rajas – der nach Tat und äußerer, ganz zum Weltsein gerichteten Verwirklichung drängenden Konstitution) “geht Leiden als Frucht hervor.” Und hierzu passend auch Schopenhauer: “Demnach ist es gerathen, seine Ansprüche auf Genuß, Besitz, Rang, Ehre u.s.f. auf ein ganz Mäßiges herabzusetzen; weil gerade das Streben und Ringen nach Glück, Glanz und Genuß es ist, was die großen Unglücksfälle herbeizieht.”
Und also nur dann geschieht die Tat aus innerer Richtigkeit und Berechtigung, wenn sie nicht aus einem Begehr nach Glück intendiert ist, sondern sie nur auf einen Verhalt rekurriert, der seine Fülle vor sich selbst hervorzubringen verlangt, indem er ein notwendiges Überfließen ist, das sich so in die Anschaulichkeit setzt. (Somit eine Analogie zum urschöperischen Vorgang bildet). Dabei ist die Glückseligkeit eben nicht in die Handlungen zu setzen, sondern vielmehr setzt sich die Handlung in die Glückseligkeit – die Handlung ist gleichsam ihr Übersprung und gibt in ihrer dynamis Kunde von der ihr ureigenen mitteilsamen (guten) Fülle. Dabei aber bleibt sie ab dem Punkt ihrer Sichtbarkeit doch notwendig hinter ihrer Eigentlichkeit und Wahrheit zurück. Die Schöpfung als erster Übergang aus dem in sich einigen Sichsein in die Explikation ist bei allem schöpferischen Charisma zugleich auch das malum metaphysikum.
Für die Kunst: Es kommt bei der Produktion zu einem notwendigen Gespür für den Verlust, weil das Ursächliche als Resultat in die Schwere, die Materie und bewußte Reflexion absinkt – und hier allein kann die eigentliche und einzige Not und Depression des Künstlers sein- , nach schwerer Geburt und Werdung erst steigt das Produkt – idealiter – zu einem Symbol, das seine Richtigkeit und Berechtigung gerade dadurch beweist, daß es allen lesbar wird, weil die Möglichkeit zum Rekurs auf das Apriorische gelungen ist. Es kann dies, weil es sich hinter dem Geist (mens) verortet hat.