Intention zum Unendlichen

C.G. Jung sagt: “Die menschliche Natur selber hat eine ausgesprochene Scheu vor der Bewußtwerdung. Was aber den Menschen doch dazu treibt, das ist eben das Selbst, welches Opfer verlangt, indem es gewissermaßen sich uns opfert. Einerseits ist die Bewußtwerdung, also eine Zusammenführung abgesplitterter Teile, eine bewußte Willensleistung des Ich, anderenteils aber bedeutet sie auch ein spontanes Hervortreten des Selbst, das von jeher war. Einerseits erscheint die Individuation als Synthese einer neuen Einheit, die zuvor aus zerstreuten Teilen bestand, andererseits aber als das Offenbarwerden eines Wesens, das dem Ich präexistent, ja dessen Vater oder Schöpfer und dessen Ganzheit es ist. “

Woher aber rührt die Scheu vor diesem Großen? Es ist die Doppeldeutigkeit der menschlichen Natur, die sie zuvorderst zur Daseinssicherung in der Hiesigkeit treibt und alles darüber hinaus als Vergeudung und Beunruhigung ihrer Ressourcen anzunehmen gewillt scheint. Hinzu kommt fehlender Glaube oder besser, fehlende Gewissheit: Man lehnt das ‘Nicht-Sichtbare’ als nicht-existent ab oder verweist es in die Zuständigkeit eines personalen Über-Ens, was sich in der lebenspraktischen Gestaltung fast gleich kommt, da dies den Menschen in die spirituelle Passivität bzw. Entfernung treibt.
Dabei: “Die Wesensbestimmung eines Seiendes, das sich selbst in der Vollendung seiner Möglichkeit denkt, erlaubt nun auch eine genauere ontologische Charakteristik der Seele: Sie ist eine defiziente Form der vollen ‘Gegenwärtigung’ des Nous.” (Volkmann-Schluck über die Philosophie Plotins)
Und weiter: “Zum wahren Selbstbesitz gelangt die Seele aber durch die im ‘Lernen’ vollzogene Aneignung der Wissensgehalte, die ihr zunächst fremd gegenüberstehen, die sie sich aber im Lernvollzug zu eigen macht. Die Einung mit dem Wissensgehalt ist aber in Wahrheit die eigene Wesensaneignung – ‘er-innertes’ Wissen – durch die sie sich gegenüber dem Taumel des Tuns zur ruhigen Schau erhebt.”

Hinter dem Taumel des Tuns – dem ‘lebensvollen’ Bereich des Rajas, der Leidenschaft, Dynamik und Kämpfertum meint, ist die wahre Richtungsweisung für die eigene Biographie zu suchen, sie ist der rote Faden, die Essenz und Grundverortung der Inkarnation, und es kann nur die eine Leidenschaft von Nutzen sein, die das äußere Ungerichtete ausrichtet und vertieft bis in seine Gründe, die freilich präexistent sind, da sie eigentlich existieren und den Grund der Seele, des Menschentums meinen. Etwa nach Ficino muß der Geist dabei “durch Selbstreflexion und Kreativität bestimmt sein und sich alle Felder des Wissens in intensivster Weise erschließen und damit die ihm immanenten Möglichkeiten zu Unendlichem entfalten (Beierwaltes). Und so läßt sich sagen: “Die Intention auf Selbst-Steigerung hin hat kein Ende und ermüdet nie, erlischt nie; je näher sie dem absolut Unendlichen kommt, desto mehr entbrennt ihr Feuer.”
Man kann auch sagen: Dies Feuer verbrennt nicht das Lebensvolle, sondern richtet es zu einer verzehrenden Totalität, die sich selber meint.

“Man is in the Process of Changing to Forms that are not of this World; grows He in Time to the Formless, a Plane on the Cycle Above. Know Ye must Become Formless before Ye are One with the Light.”
(Emerald Tablets of Thoth)