Pauli und Kepler, Konvergenz von Wissenschaft und Religion

Wolfang Pauli in seinem sogenannten Mainzer Testament:
“Ich glaube, daß es das Schicksal des Abendlandes ist, diese beiden Grundhaltungen – die kritisch rationale, verstehen wollende auf der einen Seite, und die mystisch irrationale, das erlösende Einheitserlebnis suchende auf der anderen Seite immer wieder in Verbindung miteinander zu bringen. In der Seele des Menschen werden immer beide Haltungen wohnen, und die eine wird stets die andere als Keim ihres Gegenteils schon in sich tragen. Dadurch entsteht eine Art dialektischer Prozeß, von dem wir nicht wissen, wohin er führt. Ich glaube, als Abendländer müssen wir uns diesem Prozeß anvertrauen und das Gegensatzpaar als komplementär anerkennen. Indem wir die Spannung der Gegensätze bestehen lassen, müssen wir auch anerkennen, daß wir auf jedem Erkenntnis- oder Erlösungsweg von Faktoren abhängen, die außerhalb unserer Kontrolle sind und die die religiöse Sprache stets als Gnade bezeichnet hat.”
Hier zeigt sich, daß der Gedanke der Konvergenz freilich nicht als Neuerung der 68′ er Bewegung  (bekanntester Protagonist: Fritjof Capra, “Das Tao der Physik”)  angesehen werden kann  – wie von traditionalistischer Seite gerne behauptet -dies mit  doppeltem Ressentiment sowohl gegen die Wissenschaft schlechthin  wie auch gegen die (heidnische) New Age Bewegung. Kritikabel aber bleibt hier der theistische Turn Paulis, da er den Erkenntnisprozeß  von Außen bewirkt  annimmt, was für einen Wissenschaftler der vom positiven Zuwachs menschlicher Erkenntnis weiß, in gewisser Weise verwundern mag. Schließt  man Größen wie ” Inspiration” oder  “Ingenium” hierfür ein, die zu einer Bewußtseinsprogression durchdringen, so mögen diese zwar als Gnadengabe (wie auch das Talent) erscheinen, – ebenso kann der sogenannte “wissenschaftliche Zufall” als Gnadengeschenk interpretiert werden- und doch würde  so zuletzt eine tiefere Evidenz der inneren Begabung des Menschen zum apriorischen Vermögen  außer Acht gelassen, zumindest aber unnötig abgeschwächt.
Kepler hingegen hatte schon lange Zeit vor Pauli in seinen Erklärungen einen wahrlich platonischen Turn vollzogen :
“Erkennen heißt, das äußerlich wahrgenommene mit den inneren Ideen zusammenzubringen und ihre Übereinstimmung zu beurteilen, was man sehr schön ausgedrückt hat mit dem Wort: Erwachen wie aus einem Schlaf (Meine Anmerkung: Wer denkt hier nicht an Gurdijeff?) Wie nämlich das uns außen Begegnete uns Erinnern macht an das was wir vorher wußten, so locken die Sinneserfahrungen, wenn sie erkannt werden, die innen vorhandenen Begebenheiten hervor (siehe hierzu auch Sloterdijks “Einwanderung von Oben”), so daß sie in der Seele aufleuchten, während sie vorher wie verschleiert in potentia dort verborgen waren.”