Erlösung, gnadenfrei

Dies hört man immer wieder von kirchlicher Seite, daß man den Glauben nicht mehr ernst nähme und alles Religiöse zusehends verwässere , daß man versucht sei, zu irgendwelchen “Wohlfühl-Religionen” zu wechseln (diese meistens aus Fernost) usw.
Nun, diese Einschätzung offenbart das Fehlen jeglicher Kenntnis vom Buddhismus und dem Wesen seiner Lehre. Man beachte alleine die Schilderung des Sterbeprozesses im tibetischen Totenbuch. Ganz anders als etwa bei Kübler Ross oder Raymond Moody, wo dieser Prozeß letztlich außerordentlich trostreich beschrieben wurde und wo sich ein Nahtod- bzw. Nachtoderleben gar in einen christlichen Vorstellungsrahmen von einem jenseitigen paradisischen Seinszustand einpassen kann, wird in den buddhistischen Texten das subjektive, aber verbindliche Gefühl einer vierfachen schmerzvollen Auflösung auf dem Sterbebett beschrieben, bei der es sich anfühle, als würde den Sterbenden ein riesiger Berg zerquetschen, als würde er in einem Ozean ertrinken, als würde er von einer Flamme verzehrt und schließlich von einem Wirbelsturm hinweggefegt. Und in den ersten Wochen nach dem Versterben muß der Geistkörper diese Erfahrung wieder und wieder durchleben. Die Zustände insgesamt dann nach dem Tod sind komplex beschrieben, man entfaltet dort eine Hierarchie der verschiedenen Zwischenreiche (Bardos). Demnach wären die den christlichen oder spiritistischen Beschreibungen verwandten Schilderungen vom Jenseits hier lediglich Zustände im Bardo des Werdens, der bereits den gescheiterten Weg zur Erlösung bezeichnet und unweigerlich zur Wiedergeburt führen muß. Und das gesamte Erlösungswerk obliegt alleine der Eigenverantwortung, der eigenermächtigten Erfüllung der strengen spirituellen und ethischen Prämissen, die zum Ausstieg aus dem Wiedergeburtsrad “samsara” (auf dem Weg dorthin der schrittweise Ausstieg aus weltlicher Verhaftung) führen sollen. Und diese Prämissen fordern die stetige Ausbildung eines hoch-ethischen Bewußtseins und viele Jahre religiöser, geistiger, ethischer  Praxis. Myriaden von Inkarnationen sind erforderlich, um diesbezüglich genug Erkenntnis (denn die ist zentral) zu erlangen.Und das ist ein endlos anspruchsvolleres Unterfangen als im Christentum, weil hier der christliche Begriff der Gnade (oder der gnadenvollen Erlösung)völlig fehlt. Ganz zu schweigen von der schlussendlichen Ich-Auflösung. Religiöse Wellness geht tatsächlich ganz anders.