Jenseitige Jugend, Plotin

Oft wird in Nahtoderfahrungen oder sogenannten Jenseitsschilderungen durch spiritistische Medien die Ansicht vertreten, daß der Mensch sich trotz etwaiger Krankheit, trotz seines Alters oder Siechtums nun mit Eintritt in eine jenseitige Sphäre in der Blüte des Lebens und seiner Erscheinung wiederfindet. Hierzu muß man erst einmal sagen, daß der Mensch zweifelsohne eine biologisch beschreibbare Entwicklung gleich einer Lebenskurve durchläuft. Er wächst heran zur maximalen Ausbildung seiner körperlichen Größe, Statur, Vitalität, seiner Leistungsfähigkeit, nicht nur im körperlichen Sinne, sondern auch im Geistigen, im Sinne einer Charakterreife und dergleichen.  Prinzipiell ist also die Zeugung und der ganze Prozeß des Heranwachsens ein auf  einen Lebenshöhepunkt angelegter Vorgang, der dann auf der abfallenden Seite der Kurve wiederum Abbauprozessen unterworfen wird,  die   einen Gegensatz zur Aufwärtsbewegung  beschreiben und schließlich zu Alter und Tod (zu einem Rückbau des Lebenszweckes) führen.
Nun eine neuplatonische Aussage: “Das reine Sehen ist das Sehen der Ideen selbst, befreit von ihrer Darstellung im Sinnlichen: das Leben des Geistes. Der Geist, das Sein der Ideen, gibt demjenigen, der zu ihnen aufblickt, das wahrhafte Sehen dessen, was wahrhaft ist, das Vermögen, das Leben zu steigern und selbst das zu werden, was er sieht: das Leben des Geistes. Dort sieht der Blick nur Leben, da ja auch das, was hier das Sterbliche ist, der Körper, als Idee unsterblich ist.(Volkmann Schluck über Plotin)
Wenn der Körper – der also (s)einer eigenen Teleologie folgt, die durch seine Ausdifferenzierung  definiert wird – und jener  neuplatonisch als Inkorporierung einer  unsterblichen Idee angesehen werden kann, dann muß diese Idee ja prinzipiell die Idee des Körpers in seiner Vollendung der zweckmäßig angelegten Ausbildung darstellen, denn darin besteht der Sinn, jene Idee zu verwirklichen und somit -wenn er also in dieser Art ewig ist – muß er im Jenseitigen eben  diese reine Verkörperung seiner eigentlichen und angestrebten Ausbildung, zu dessen Zweck er inkarniert war, in  seiner geistigen und überzeitlichen  Sichtweise zur Ansicht haben.