Teleologie der immanenten Transzendenz

Teleologie einer immanent -Werdung des Transzendenten (bzw. des als transzendent Erachteten: Verdeutlichend möchte ich mit Textstellen (die nicht mit meinem Ansinnen deckungsgleich sein müssen) von Spinoza und Kant einleiten:

Friedrich Bülow über Spinoza:
1)”Die einzelnen Dinge, wie z. B. der Einzelmensch, sind Modi oder bloße Erregungen der SubstanzDie göttliche Substanz ist die eine, unteilbare, unendliche Ursache aller Einzeldinge…Wir endlichen Wesen, die wir nichts sind als ein Modus des Denkens und ein Modus der Ausdehnung, können nur erfassen, was diesen Modi in Gott entspricht, nämlich die Attribute göttlichen Denkens und göttlicher Ausdehnung. Wir leben zwar in den Attributen, werden uns aber dessen nicht bewußt.“
2)”Nach Spinoza ist Gott weder Körper noch Geist. Gott hat also im Gegensatz zur Lehre der Kirche aufgehört, Geist zu sein. Darum gehören auch zur Natur Gottes weder Verstand noch Wille. Es ist zu beachten, daß auch die Ausdehnung ein Attribut Gottes ist, denn die göttliche Wesenheit offenbart sich in jedem ihrer Attribute ganz und gar. Die Einzeldinge tragen ein Doppeltes in sich: Als Einzeldinge sind sie endlich, vermöge ihrer Wesenheit aber, die aus Gott folgt, sind sie Ewiges in der Form der Endlichkeit.”
3)”Da wir nur ein verschwindend kleiner Teil des Alls sind und nur Räumlichkeiten denkend begreifen können, so liegt der Schluß nahe, daß wir Gott nicht erkennen können. Dürfen wir doch nicht einmal ahnen, welche sonstigen Attribute Gott beizulegen sind. Nur Gott kann sich in seiner ganzen Unendlichkeit erfassen…der Mensch steht an der Grenze seiner Fähigkeiten, denn er kann nur zwei von den unendlichen Attributen Gottes erfassen, aber darf nicht die Existenz von dem leugnen, dessen Wesen er nicht erfassen kann.”

Kant (vorkritische Schriften):
1) “Die Unendlichkeit der künftigen Zeitfolge, womit die Ewigkeit unerschöpflich ist, wird alle Räume der Gegenwart Gottes ganz und gar beleben und in die Regelmäßigkeit, die der Trefflichkeit seines Entwurfes gemäß ist, nach und nach versetzen…so würde man auch den ganzen unendlichen Raum mit Weltordnungen angefüllt und die Schöpfung vollendet sehen können.“
2) “Aber, welches wir denn endlich das Ende der systematischen Einrichtungen sein? Wo wird die Schöpfung selber aufhören? Man merket wohl, daß, um sie in einen Verhältnisse mit der Macht des unendlichen Wesens zu gedenken, sie gar keine Grenzen haben müsse. Man kommt der Unendlichkeit der Schöpfungskraft Gottes nicht näher, wenn man den Raum ihrer Offenbarung in einer Sphäre, mit dem Radius der Milchstrasse beschrieben, einschließet, als wenn man ihn in eine Kugel beschränken will, die einen Zoll im Durchmesser hat. Alles, was endlich, was seine Schranken und ein bestimmtes Verhältnis zur Einheit hat, ist von dem Unendlichen gleich weit entfernt.”
3)“Es ist uns nicht einmal recht bekannt was der Mensch anjetzo wirklich ist, ob uns gleich das Bewußtsein und die Sinne hiervon belehren sollten; wie viel weniger werden wir erwarten können, was dereinst werden soll. Sollte die unsterbliche Seele wohl in der ganzen Unendlichkeit ihrer künftigen Dauer, die das Grab selber nicht unterbricht, sondern nur verändert, an diesen Punkt des Weltraumes, an unsere Erde jederzeit geheftet bleiben?…Wer weiß, ist es ihr nicht zugedacht, daß sie dereinst jene entfernten Kugeln des Weltgebäudes und die Trefflichkeiten ihrer Anstalten…von nahem soll kennen lernen? Vielleicht bilden sich darum noch einige Kugeln des Planetensystems aus…uns in anderen Himmeln neue Wohnplätze zu bereiten“
4) “Die Sphäre der ausgebildeten Natur ist allemal nur ein unendlich kleiner Teil desjenigen Inbegriffs, der den Samen zukünftiger Welten in sich hat…und sich…auszuentwickeln trachtet. Die Schöpfung ist niemals vollendet. …Sie braucht nichts weniger als eine Ewigkeit, um die ganze grenzenlose Weite der unendlichen Räume, mit Welten ohne Zahl und ohne Ende, zu beleben.”

Eine Teleologie der immanent-Werdung des Transzendenten: Diese geschieht evolutorisch, durch Erweiterung des menschlichen Perzeptionsmechanismus, somit des Wissens, des Bewußtseins der menschlichen Spezies im Ganzen und über „riesige“ Zeiträume. Kants Aussagen, die hier -wenn man so will -utopistische Züge annehmen, möchte ich lediglich heranziehen, um auf die Potenz und Größenordnung dieser in die weite Zukunft gerichteten Prozesse hinzuweisen und wie nebenbei den Anstoß zur kritischen Reflektion eines anthropomorphen Geschichtsbildes zu unterstreichen. Denn der Mensch ist aktuell als ein Zwischenglied in einer langen Kette von „Bewußtseinsträgern” zu sehen, er ist zwar momentan der exponierteste Träger von Bewußtsein, keineswegs aber als Krone der Schöpfung zu betrachten oder gar in der Art positioniert, um von einer Erfüllung eines schöpferischen Prozesses zu sprechen. Ich möchte Kants „Räume“, „Welten“, „Ferne Kugeln“und „andere Himmel“ nun nicht alleine als Option für eine kommende raumzeitliche Ausdehnung belassen, sondern die Komponente der Möglichkeit, eben auch Raum und Zeit zu transzendieren, hinzudenken. Daher erübrigt sich dann , in diesem Kontext (wie Kant) von „ewigen Prozessen“ zu sprechen, da die zeitliche Dimension ja nur Ausdruck unserer vierdimensionalen Wahrnehmung ist und mit der transzendierten Wahrnehmung schließlich entfällt. Der “zukünftige Mensch” nämlich- und da sehe ich in einer Kant ´schen Größenordnung überhaupt keinen wirklichen Hindernisgrund-wird das Raumzeitliche verlassen können, letztlich die ganzen Zusatz-Dimensionen und Branen der Stringtheorien und Quantenwelten und Paralleluniversen kartographieren. Dies durch wissenschaftlichen, technischen und bewußtseinsgemäßen Zuwachs, biologisch/physikalisch betrachtet vordringlich durch Erweiterung seines Perzeptionsapparates. Dies bedeutet Transzendez – Immanenz, weil das uns Übersteigende, das ja (physikalisch/stofflich) bereits vorhanden ist und uns überall umgibt, nur durch seine momentane „Unkenntlichkeit“ der Durchdringung enthoben, erkennbar wird. In diesem Kontext passend das Zitat des Philosophen David Z. Albert bei seiner Reflektion über aktuelle quantentheoretische Erkenntnisse: “müssen wir die Idee akzeptieren, daß die Weltgeschichte sich in einem gigantischen, unanschaulichen Konfigurationsraum abspielt , aus dem irgendwie die Illusion des dreidimensionalen Alltagsraums hervorgeht.
Also sollte eine schrittweise Entschleierung letztlich zu einer Kenntnis über den Total“raum“ führen, inmitten dem wir uns ja seit jeher (und momentan noch unerkannt) befinden. Eine Kant´sche Kolonisation unseres raumzeitlichen Universums wäre also nur die herabgebrochene dreidimensionale Bewegungsmöglichkeit eines Prozesses, der die ganze Erfassung und Durchwaltung der Totalität des Seienden (außer dem nichts ist) beträfe. Siehe oben 2) Spinoza: “Einzeldinge sind ewiges in der Form der Endlichkeit” – Es gibt aber am Endes des Erkenntnisprozesses gar nichts Unterschiedenes mehr zur Unendlichkeit, da die Summe der Anschau und die Summe der Einzeldinge (aller Dinge) die Legung des als lediglich transzendent Angenommenen in die Erfahrbarkeit und das eigene Sein bedeutet. Dies ist der Omegapunkt der totalen Bewußtwerdung. Oder ähnlich ausgedrückt bedeutet Transzendierung des Erkenntnisraumes volle Erkenntnis der Immanenz der „Transzendenz“, das heißt, es gibt kein abgeschlossenes, entferntes Tranzendentes, sondern wie schon beschrieben nur das Eine, das da harrt, der mangelnden (Er)kenntnis enthoben zu werden.
Der quantenphysikalische Hinweis, daß objektiv gar keine beobachtungsunabhängige Materie (Welt) existiert, sondern nur beobachtungsabhängige Abgriffe von „Energieverteilungen“ unsere Realität konstituieren, korreliert im Ergebnis mit der Akkumulation der Attributierungen/Setzungen durch eine transzendierte Wahrnehmung: deren Ergebnis nämlich bedeutet Entkörperlichung, Entindividualisierung, Auflösung des Stofflichen und Bestimmten. Die Bewußtwerdung der gesamten Attribute (des Ganzen) führt zur vermeintlichen Paradoxie der Attributlosigkeit (zum ruhenden ersten Grund). Denn „voller Attribute sein“ heißt, folglich auch die Möglichkeit zum Attribut (zur Wahl) innezuhaben, dies ist aber nur von einem Zustand vor dem Attribut aus möglich. (Daher in der Erlangung aller Attribute gleichzeitig eine Ent-Attributierung vorliegt.)
Kants „Die Schöpfung ist erfüllt“ könnte man so (für meine Zwecke) mit einer totalen erkenntnisgeleiteten Durchwaltung aller transzendenten, “göttlichen” Aspekte und Blickwinkel gleichsetzen. Und wie oben schon erwähnt ist Spinozas: „Ewiges“ dann nicht mehr nur „in der Form der Endlichkeit“, sondern “Ewiges” bezeichnet die Summierung aller (nun noch)-transzendenten Attribute als Ausfüllung eines bereits immanenten (ungesehenen) eigenen „Gotteraumes“.
Das heißt, daß wir selber nichts anderes sind als eine Brechung des „Alles“, des „ganzen Seins“, und daß wir uns folgerichtig diese Brechung selber gegeben haben, weil ja jemals nichts anderes existiert (hat) als „Alles“. Von dieser Höhe aus haben wir uns selber (weil sonst nichts da ist) das einzige Haus gegeben, lediglich in dieses Haus selber eine “verschlossene Tür” eingesetzt. Das „Warum“ möchte ich hier bewußt nicht zum Gegenstand der Betrachtung machen. Die Bibel mag hier (freilich im theistischen Kontext) von einer Gefallenheit oder Erbsünde sprechen, der Esoteriker zum Beispiel vom Gen-Defekt, die hinduistischen Religionen sprechen von „Maya“, (was ich viel schlüssiger finde:- “Alle Vielheit oder Dualität ist eine durch Maya bedingte Scheinmanifestation des unveränderlichen, verharrenden Seins. Maya ist der unerklärlicher Faktor, weder seiend noch nicht-seiend, der die Beschränktheit unseres Wissens ausdrückt.” (Wikipedia)
Zum Aspekt der Attributlosigkeit wäre noch hinzuzufügen, daß von der Höhe des Total-Seins –wegen des ganzen Vermögens- gleichzeitig auch die Option zur bewußten Attributierung besteht. Daher ja gab sich das Sein eine Möglichkeit zur Brechung im Bewußtsein. Die Brechung aber birgt und wünscht die Möglichkeit auf Komplettierung /Wiederherstellung (eben -unerklärlicherweise offensichtlich unhintergehbar, trotz eigener Setzung- durch Lernen/Erkennen). Wiederherstellung impliziert Rückbesinnung auf das als verloren Erachtete. Erkennen bedeutet also Erinnern (siehe Platon!) und somit den Weg zurück zur Gottwerdung.