Werner Beierwaltes zum Neuplatonismus, mit Bezug auf Proklos: “Sein Interesse an einer Kompatibilität von Mythologie und Philosophie, traditioneller Religiösität und begrifflichem Denken läuft auf eine Einfügung der Mythologie in das philosophische System und damit auf eine Entmythisierung des Mythos zu. Mythologie oder der Mythos als ganzer wird philosophisch; Mythos und Dichtung sind rehabilitiert, ohne die Philosophie weiterhin zu irritieren. …
Expressis verbis soll Mythos eine pädagogische Funktion haben, soll den Zugang zum eigentlich Gemeinten erleichtern und mit-klären, soll in der Form zeitlichen Geschehens gerade den zeitlosen Sachverhalt deutlich machen – dies gesagt am Beispiel dessen, was Plotin für platonischen Mythos hält. ‘Realität’ und ‘zeitliche ‘Aktivität’ des Demiurgen, die im Grunde die immer schon vollzogene Beseelung des Alls und die Geordnetheit der Materie illustrieren und verdeutlichen sollen. Das Bild (in der Gestalt des Mythos) wirkt also gerade durch seinen Verweisungscharakter an der letztlich intendierten Überwindung des Bildes mit. So besteht eine pädagogische Protreptik des Mythos vor allem darin, durch das Bild über das Bild und dessen Herkunft, die bildproduzierende Phantasie, hinauszugehen.”
Karl Jaspers in der bekannten Frage nach der Entmythologisierung: “Die schlechte Aufklärung gibt es geschichtlich zu allen Zeiten. Sie ist in der Tat der Unglaube, der seinen festen Boden in Rationalitäten abergläubisch zu haben meint.”
“Echte Aufklärung” hingegen ist eine unaufhaltsame verantwortliche Bewegung der Vernunft, ohne je vollendet zu sein.”
aber: “…geschichstphilosophische Deutungen unseres Zeitalters trüben oft unser Bewußtsein, gnostische Erwartung eines Geschichtsprozesses verdirbt vollends unsere Vernunft.”
Hier möchte ich Jaspers widersprechen: Einerseits mag im Menschen eine eingeborene Vernunft angenommen werden, aber gerade ihr prozessualer Akt der Klärung, Aneignung und Scheidung, der diese Anlage erst über die Zeit in richtige Verhältnisse setzt, ist als gnostisch zu benennen. Was daher den Mythos betrifft, soll er – auch wenn Parabeln und Symbole jeher durchaus von ‘ewigen Gültigkeiten’ gespeist sind – einst auf das Eigentliche ‘minimiert’ sein. Die Intention, die hinter der Aufführung steht, ist nämlich selber Entität und Wesen – und diesem Wesen sind wir schließlich zugehörig – dies Wesenhafte ist ja zuletzt unser eigenes- sodaß alles in ein einziges Kontinuum kommen soll, eben in die Eigenheit des zuwachsenden Selbst, das sich zum Einen neigt – und wird. Dies meint der Begriff monosis, der hier selbstredend eben einen gnostischen Duktus annehemen muß. Dieser Prozeß aber -als Gang der praktischen und sich zielhaft entfaltenden Vernunft – wird durch den Mythos verstellt, wenn die Bezüge, auf die er eigentlich verweisen soll, hinter seiner Äußerlichkeit, der Geschichtenerzählung (die zuletzt ein semantisches Hilfskonstrukt genannt werden kann) selber zurückbleiben – nämlich als zwangsweise Folge der Repetition, also einer ständigen Verstetigung – und Ermächtigung der Erzählung, so daß die Semantik des Symbols ganz in den Vordergrund vor die Intention und das Initial tritt und nichts weiter mehr erkennen läßt und gar nicht mehr willens ist, Intentionales zu erfragen. Die Erzählung schirmt damit ab von der Essenz ihres allegorischen Charakters. Das Symbol wird dabei unlesbar und erstirbt, es wirkt wie ein Baugerüst ohne Gebäude dahinter, ist wie ein erstorbenes Baumwerk ohne Wurzel und Lebenssäfte, bei dem man sich in unendlicher Betrachtung der längst verdorrten Blätter ergeht. Ursächlich steht hier die Abtrennung vom anteiligen Sein, und so meint Entmythologisierung zuletzt etwas ganz Positives, nämlich Findung zur Eigentlichkeit und Überwindung – sie erst eröffnet den Vernunftweg zum Transzendenten.