Sieben Anwürfe an die Kirche

Meine sieben Hauptanwürfe an die Kirche:
1. Behinderung der erkenntnistheoretischen Verantwortung des Menschen
Der Mensch tritt zu Gott in das psychologische Verhältnis einer Vater- Kind – Beziehung. Er gibt sich submissiv und verharrt in Erwartung seiner Zuwendung aus Lob und Tadel, Gnade und Strafe. Dieses Verhalten ist nicht tätig, sondern passiv, Tätigsein ist nur im Bitten, im Ersuchen um Hilfe und Erhörung. Der Mensch greift nicht konstitutiv in sein Schicksal ein, weil ihm jede Gewißheit oder Versicherung zur eigenen (spirituellen) Ermächtigung abgeht, er kann sein Schicksal (geistig) nicht formen, er hat hieran keinen Anteil. Erkenntnis und Progression sind ausdrücklich nicht dem Seelenheil dienlich, im Gegenteil wird dieser Anspruch sogar als eine Auflehnung gegen Gott konnotiert.
2. Proklamation der Getrenntheit und der Unüberwindlichkeit von Materie und Geist – Beförderung des Materialismus/Atomismus, Dualismus
Ontologisch sind Mensch und Gott zwei ganz verschiedenen Seinsbereichen zugeordnet. Der Mensch ist ein Geschöpf der materiell-raumzeitlichen Ebene (die im Duktus eines naiven Realismus vorausgesetzt ist), die göttlich-geistige Ebene hingegen ist ihm prinzipiell verwehrt. Selbst wenn man dem Menschen Anteil am Geistigen zuspricht, bleibt dieses Geistige  vom ‘Göttlichen’ geschieden, dies ja selbst noch in der Transzendenz der Auferstehung und des Fortbestandes der Seele in personaler Identität, denn auch hier tritt Gott  dem bereits Erlösten  weiterhin getrennt gegenüber, die Subjekt-Objekt-Relation verstetigt sich so selbst in der Ewigkeit (an dieser Stelle sei auch noch einmal auf die von christlicher Warte also enorm ketzerische Ansicht Meister Eckharts verwiesen, die im Zustand der Ewigkeit nichts als Einsheit von Subjekt und Objekt (Univozität) anerkennen mag.
3. (Zwangs-) Monopolisierung (und Verzerrung) des Esoterischen.
Der Grund-Topos des abrahamitischen Monotheismus: Der eifersüchtige, zürnende Gott. So wie er sein Volk für jeden Abfall bestraft, so wenig duldet die Kirche eine Fächerung der metaphysischen Lehrmeinung. Alles wird in einen einzigen biblischen Kanon gezwungen, der in den verschiedenen, als göttlich inspirierten Konziliarsbeschlüssen theologisch ausgeformt und zugleich unhintergehbar affimiert ist . Wie wahr auch immer Wahrheitsgehalte ausfallen mögen, sie werden -einmal jenseits des Kanons verortet-ausgeschieden, verneint, unterdrückt. Der Wahrheitsbegriff ist als offenbarter kein dynamischer, sondern ein statischer -und ein vom Urheber eifersüchtig bewachter, der nicht das Verbindende sucht (das schließlich Ausdruck des Wahren meint und erstrebt (wie Karl Jaspers richtig herausstellte ), sondern der im Gegenteil unablässig diskriminiert und Uneigenes herabsetzt (was in Folge aber prinzipiell einen hohen Rechtfertigungsdruck erzeugt.)
4. Kanonische Willkür
Die Kanonisierung der Bibel ist zuletzt ein Akt der Willkür. Relevante und nachweislich in ihrer Autentizität als Jesuswort den kanonisierten Evangelien nicht nachstehende Texte – wie das (gnostische) Thomasevangelium – sind bewußt oder durch schlichtes Nicht-Bekannt-Sein unterschlagen worden. So steht ein ganzes Lehrgebäude von vielen Jahrhunderten auf einem Text-Konglomerat, das nicht einmal auf eine Ursächlichkeit verweisen kann, die den authentischen Jesus und seine eigentlichen Intentionen überzeugend abzubilden vermag.
5. Politik der Gewalt
Verfolgung oder Venichtung derer, die über ein der kirchlichen Theologie tieferliegenden Wissen (im Sinne einer philosphia perennis) verfügten und dieses entweder vom heidnischen oder aber innerkirchlichen Standpunkt aus formulierten.
Die Verfolgung sogenannter Ketzer zeugt von der Inanspruchnahme eines unbedingten Monopols über alle Glaubensfragen, dessen Durchsetzung nur mit permanter Gewalt sichergestellt werden konnte. Dieser Habitus steht dabei grundsätzlich gegen die Ethik des Neuen Testamentes.
6. Vorrang der Leidens- und Todespose vor der Pose der Auferstehung
Dies als Signum christlicher Anthropozentrik, die eigentliche Intention Jesu nämlich,  die Lenkung auf die Transzendenzfähigkeit des Menschen, wird durch die Leidenspose-deren Blick auf das Diesseits gerichtet ist- stets konterkariert -oder wenigstens geschmälert.
7. Ungeklärte  Beziehung, mangelnde  Emanzipation vom Judentum und vom Alten Testament. (“Wer denn Herrn nicht empfangen hat, ist noch ein Hebräer.” (Philippusevangelium, Spruch 46)
Schopenhauer: “Parsen, Juden und Muhamedaner beten einen Weltschöpfer an, Hindu, Buddhaisten und Jainas hingegen Weltüberwinder und in gewissem Sinne Weltvernichter.Offenbar gehört das eigentliche oder neutestamentarische Christenthum dieser zweiten Klasse an, ist aber auf historischem Wege mit einer aus der ersten Klasse gewaltsam verbunden.”