Wille und Lassen

Niels Bohr: “Auf ein weit entferntes Objekt zu zielen und es dann zu treffen, das ist natürlich unmöglich. Aber wenn man die Unverschämtheit besitzt, ohne zu zielen, in die Richtung zu werfen, und sich dabei die absurde Möglichkeit vorzustellen, daß man auch treffen könnte, ja dann kann es vielleicht doch geschehen. Die Vorstellung, daß etwas geschehen könnte, mag stärker sein als Übung und Wille.”

Hierzu ein Satz Plotins: “Der Nous muß, um das Eine zu ergreifen, hinter sich selbst zurückgehen, er muß sich in sich zurückbeugen und im Vollzug der Reflexionsbewegung das je schon anwesende Eine ergreifen durch Entrückung aus dem Denken artikulierter Gestalten. Der Geist muß, um das Eine zu erschauen, mit dem Nicht-Geist schauen: Was dem Nicht-Geist da erscheint, das ist eben das ungegenständliche Nicht-sein alles gestaltgebundenen begegnenden Seienden: das umwelthafte In-sich-selbst-sein selbst, in dessen Anwesenheit die Zweiheit getilgt ist. Das Sein zu diesem vollendeten Einen ist die vollendete Seinsganzheit der zu sich selbst gekommenen Seele, das vollkommene Sich-in-sich-hineingesehen-haben.” (Volkmann Schluck)

Zentral dem plotinischen Gedanken ist die Proklamation eines Seinsbereiches, den man in Absenz zur denkenden Bewußtheit (und darüberhinaus zur raumzeitlichen Realität) charakterisieren könnte, einer Hypostase also, die über dem diskursiven, willentlichen Denken liegend, als reine potentia aufgefasst werden kann, die ihre endlose Möglichkeit (als totale Superposition) nicht zur Konkretion führt und in sich selbst alles hat als Eines. Die Wesensähnlichkeit, die Annäherung des als indivieduell und bewußt agierend vorgestellten Geistes im Einzelwesen an diese Unbestimmtheit wird demnach (um auf den Satz von Bohr zu kommen) weniger durch willentliche Denkvorgänge als durch ein ‘Lassen’ – nämlich ein Lassen des Willentlichen und gedanklich konkreten Ergreifens – vollführt. (Fichte: ‘Ich denke allerdings unbestimmte Gegenstände, und mehr als die Hälfte meines Denkens besteht aus dergleichen Gedanken.’) Diesem Diktum folgt auch die Erzeugung der sogenannten Resonanz (im Sinne einer tätigen Erschaffung von Realität), die eben genau dieses geistigen Lassens bedarf, um nach einer willentlichen Anregung zur Ausbildung eines Explikationsantriebes aus der Unbestimmtheit sogleich ein solch beschriebenes Hinter dem Geist Sein herbeizuführen, um der Wirksamkeit in der potentia nicht durch Eigenes (also vom Eins-Sein-Fernes) hemmend im Wege zu sein. Indem das Ich zwar wünscht und so anregt, aber gleich wieder losläßt (und vergißt) wird es dem Individuellen unähnlicher und gleicht sich im Wesen dem Vollzug seiner schöpferischen Totalität an. Diese vor-geistige potentia in ihrer Anregung ist Unendlichkeit und Macht der Möglichkeit im Vollzug zur Endlichkeit, und ihr in gerichtete Bewegung Versetztes wird in ihrer Wirksam-Werdung als raumzeitliche Explikation des Angeregten wahrgenommen. Erfahrungsgemäß finden gerade in diesem Umkreis, im Wechselverhältnis von Gewichten und Lassen auch gehäuft Synchronizitäten statt – hier zu deuten als Dynamik einer prinzipiellen, vom Beobachter zu Individualbewußtsein gekommenen Selbsreferenzialität der interagierenden Hypostasen.