Vergeblichkeit

Arthur Schopenhauer: “Die Tiere haben an Organen und Kräften genau und knapp soviel erhalten, wie zur Herbeischaffung ihres Lebensunterhalts und Auffütterung der Brut unter äußerster Anstrengung ausreicht; daher ein Tier, wenn es ein Glied oder auch nur den vollkommenen Gebrauch desselben verliert, meistens umkommen muß. Selbst vom Menschengeschlecht, so mächtige Werkzeuge es an Verstand und Vernunft auch hat, leben neun Zehntel in beständigem Kampfe mit dem Mangel stets am Rande des Untergangs, sich mit Not und Anstrengung über demselben balancierend. Also durchweg, wie zum Bestande des Ganzen, so auch zu dem jedes Einzelwesens, sind die Bedingungen knapp und kärglich gegeben, aber nichts darüber: daher geht das individuelle Leben in unaufhörlichem Kampfe um die Existenz selbst hin; während bei jedem Schritt ihm Untergang droht. Eben weil diese Drohung so oft vollzogen wird, mußte durch den unglaublich großen Überschuß der Keime dafür gesorgt sein, daß der Untergang der Individuen nicht den der Geschlechter herbeiführe, als an welchen allein der Natur ernstlich gelegen ist.”

Hier nur eine Anfügung: Auch die Kompensationen sind Kampf wie Signa der Vergeblichkeit, denn sie bilden nur ein Gegengewicht im gleichen negativen Umkreis des eigenen schwachen Daseins und sollen Verlagerung oder Ablenkung bringen, um doch immer wieder auf den notbeladenen Grund des Alltags zurückzuführen. Diese Art der Bewegung aber gebiert nur als scheinbare Aktivität keinerlei Fortschritt, sondern wirft den Mensch umso mehr in eine Zirkularbewegung seines Seins, das sich so selbst begrenzt und leidend bzw. erduldend ist und nichts darüber hinaus. Leiden (am Leben) nimmt aber seinem Wesen nach aus sich selbst heraus zu, die Kompensationen werden entsprechend, so sie überhaupt noch gelingen können.
Solche Wirk- Art ist nicht bestimmt, den Menschen in seinem Zustand zu heben und ihm ein schöpferisches Sein zu ermöglichen, an dem er die Art seines herkömmlichen Daseins reflektiert und gar transzendiert. So bleibt nur ein Umkreisen und Einhegen des Mangels, es folgt daraus keinerlei positive Bekenntnis zu einem besseren Seelensein.
Außerdem sei angemerkt: Einem Individuum oder gar einer Gesellschaft, die der Perpetuierung der Art nicht nachkommt, mag man zwar idealiter durch jene Befreiung von der bezwingenden Erfordernis der Natur eine Zielrichtung zur Geistigkeit unterstellen. Wird diese Möglichkeit jedoch nicht genutzt, ist ein doppeltes Umsonst: Die Gattung stirbt ab, aber der Geist über der Gattung als Wegweisung bleibt gänzlich unberührt und unentwickelt.