Teleologie und Sexus

In einer Zeitung eine Einlassung mit konservativer Grundierung gelesen, die sich Sorge um die Entwicklung der Jugend machte und Sexualität am liebsten innerhalb einer liebevollen, durch die Ehe bestätigten Konstellation beheimatet sähe. Zum einen ein frommer Wunsch. Und hierzu fiel mir folgender Ausspruch des (konservativen) Denkers Victor Solovjev ein, der sagte: “Solange der Mensch sich fortplanzt wie ein Tier, wird er auch sterben wie ein Tier.” (Als würde also übrigens innerhalb einer institutionalisierten Beziehung die Animalität des Vorgangenes etwa weniger animalisch gegeben sein). Zum anderen verhält es sich mit dem Sexus aber vor allem wie folgt: In Bezug zu einer evolutorischen Agenda beschreibt der Zeugungswille, der sich hinter dem Begriff “Sexus” verbirgt, die grosse Triebkraft, die den Menschen als Spezies Generation um Generation vorwärts treibt, ihn prinzipiell ohne jede Rücksicht auf dessen individuelle oder bewußte Belange, wie auch außer ihm die gesamte sonstige Natur diesem Prozeß mit Haut und Haar verpflichtet und dabei alles zur Verfügung stehende rücksichtslos nach vorne wirft; eine Rücksichtslosigkeit aber, aus der die Menschengeschichte selbst hervorgegegangen ist und unter dessen unbedingten Willen er überhaupt nur bestandsfähig ist. (Da Netto immer die Geburtenrate höher auszufallen hat als die Sterberate, um ein Überleben der Gattung zu sichern.) Dieses große evolutionäre Programm kennt nur jene Ziele: Reproduktion und Evolution um jeden Preis, unter diese Zweckausrichtung wird alles andere untergeordnet, die anderen Lebenssicherungsantriebe arbeiten lediglich dieser Agenda zu. “Sexus” also an gesellschaftliche Normativen und Institutionen binden zu wollen, dient seit jeher der Einhegung und hat zivilisierende Implikation. Der Sexus selbst aber bleibt aus sich heraus eine autarke Größe, weil seine Zielsetzung außerhalb des zivilisatorischen Vorstellungsradius liegt und in Unkenntnis dieser lediglich als sich entziehend oder diffus überrational interpretierbar wahrgenommen wird. Ihn also etwa exkludierend  “liebenden Eheleuten” zusprechen zu wollen ist intentional genauso verkürzt, wie ihm etwa in diversen antikonventionellen Lebensformen bewußt individualisierte, “selbstbestimmte” Gestalt geben zu “wollen”, denn Sexus (und darunter subsumiert sich jede Implikation von Attraktion und ebenso deren gesellschaftliche, kulturelle, mediale und kommerzielle  Nutzung – sieht man einmal von den Nachrichtensendungen und einem Teil der Filmindustrie und ihrem an “Thanatos” orientierten Topos ab, bestimmt der Eros fast unterschiedlos jede öffenliche oder private Aufmerksamkeit- dient und/oder verfehlt immer nur seinen letzten Zweck, nämlich das Genom in der Gesamtheit zu entwickeln.Was wir als freie Wahl und Wunsch darüber zu interpretieren oder zu sublimieren haben, ist letztlich nur die Auseinandersetzung und Gestaltung der eigenen Kapitulation, des sich Fügens in die Übermacht der stofflich sichtbaren und in Konsequenz aber übermenschlichen Agenda.