C.G. Jung, Prägung, Bekenntnis

C.G.Jung: “Man meint, man müsse nur eine Bekenntnisformel als unrichtig und ungültig erklären, um von allen Wirkungen christlicher und jüdischer Religion psychologisch befreit zu sein. Man glaubt an Aufklärung, wie wenn eine intellektuelle Schwenkung irgendwie einen tieferen Einfluß auf die Gemütsvorgänge oder gar auf das Unbewußte hätte. Man vergißt völlig, daß die Religion der vergangenen zweitausend Jahre eine psychologische Einstellung ist, eine bestimmte Art und Weise der Anpassung nach innen und außen, die eine bestimmte Kulturform erzeugt und damit eine Atmosphäre erschaffen hat, welche von einer intellektuellen Leugnung ganz unbeeinflußt bleibt. Die intellektuelle Schwenkung ist zwar symptomatisch wichtig als ein Hinweis auf kommende Möglichkeiten, aber die tieferen Schichten arbeiten noch lange in der früheren Einstellung weiter, gemäß der psychischen Inertie. Daher kommt es, daß das Unbewußte das Heidentum lebendig bewahrt hat. Die Leichtigkeit, mit der der antike Geist sich wieder erhebt, kann man an der Renaissance beobachten. Die Leichtigkeit, mit der sich der noch viel ältere primitive Geist wieder erhebt, kann man in unserer Zeit vielleicht noch besser beobachten als in irgend einer anderen historisch bekannten Epoche.”

Die angesprochene Intellektualität ist in ihrem Drang aber Signum tätigen Willens einer immanent- theophanischen Seinsanlage in der Tiefe aller Existenz und so innerhalb  des Individuums  und verweist somit auf den urschöpferischen  Natur-Telos – und daher auch  auf dessen notwendige Geschichtlichkeit. Innerhalb dieses Telos kommt es auch zu Verharrung und Verstetigung des Irrtümlichen,  dies zumeist wegen Interessenlagen, die außerhalb der geistigen Vorgabe liegend in weltlicher Einlassung  hartnäckige Verhaftung und so Anachronismen manifestieren. Die Kolportage, die Symbolisierung ist zwar prägend, aber dem genannten Wesen ein Aufgesetzes, Oktroyiertes, ein Künstliches, das nicht mehr auf den Kern verweisen kann, oder, in anderem Bild, ein prinzipiell erstorbenes Glied, das nicht mehr am Blutkreislauf verbunden ist und daher – hört man auf, es künstlich zu stützen, schneller Vergänglichkeit anheimfällt. Man sieht dies an der  heutigen prompten Variabilität und Wandlung von Prägungen, die man viel evidenter geglaubt hatte. Dies heißt also auch, daß diese Prägung in der Tiefe jemals weniger wirksam war als vermutet.  Mit dem inneren Gehalt ‘des antiken Denkens’  verhält es sich hingegen anders, da dieser – wie auch das ganz Ursächliche und transzendent-Empirische der Archaik – Archaik und antikes Denken sind eng verbunden – einen Wesenskern beschreibt, der dem Menschen ob seiner Seinsart unauslöschbar eigen ist. Dies meint genauer eine potentielle Verbunden- und Eingebundenheit des Menschen zum (ontisch) ganz Anderen und (von der Raumzeit aus betrachtet) Unvorstellbaren (aber potentiell Erlebbaren), welches noch vor allen erworbenen oder kulturellen Zusätzen liegt, und was sich, um in Jung’scher Diktion zu bleiben – im inneren des Menschen -später- als bildgewordener Eidos, sprich als Archetypus zeigen kann.  Alle Institution, Erklärung, Ausformung, Symbol ist Interpretation a posteriori (de facto ist der anschauliche Archetypus schon a posteriori) und steht oftmals nicht einmal mehr in Wechselwirkung zu jener gemeinten Ursächlichkeit.  Dessen Findung aber ist Impetus zur Progression und meint  zuletzt das eigentliche (gnostische) Eschaton, anders gesagt: die Findung meint den Übergang zum Selbst -und höher noch, zum Geist und Einen. In dieser Bewegung sind die eingangs von Jung genannten Prägungen  nicht viel mehr als vergängliche Abdrücke, die die Richtung zum Aufstieg einst verfehlten und im Niederen, im nötigen Weltenlauf zwingend erodieren müssen.