Jesus, platonisch

Zu Jesus’ Kreuzestod C. G. Jung: “Was ist das für ein Vater, der lieber den Sohn abschlachtet, als daß er seinen übelberatenen und von seinem Satan verführten Geschöpfen großmütig verzeiht? Was soll damit demonstriert werden? Etwa die Liebe Gottes? Oder seine Unversöhnlichkeit?”
“Die alte Anschauung …behauptet, daß er zur Errettung … des bedrohten Menschen in die Welt kam, gelitten habe und gestorben sei. Außerdem bedeute seine leibliche Auferstehung, daß alle Gotteskinder dieser Zukunft gewiss seien.” 
Jungs letzter Satz schlägt nun endlich die passende Richtung ein. Und ein sinnhaftes Verstehen liegt so viel näher, wenn man Jesus platonisch liest. Jesus’ Beispiel, das er mit seinem Kreuzestod gibt, läßt sich auf folgende Intentionen fokussieren: Zuvorderst der ontologische Perspektivwechsel, die Erweiterung des gewöhnlichen Realitätsbegriffes: Das eigentliche (bessere, ewige) Leben ist jenseits unserem raumzeitlichen Sein, unserem als eigentlich aufgefassten Leben, dem wir daher ganz verhaftet sind, was uns allerdings wesenhaft verkümmern läßt.  Die Qualität des Höchsten ist zudem das Radikal-Gute. Hiervon kündet Jesus’ Ethik, die insofern aber  nicht für diese Welt konzipiert scheint, sondern  vielmehr zu ihrer Überwindung gereicht.  Insofern auch ist diese Ethik vom Standpunkt einer Lebenspragmatik prekär zu nennen.  Passend hierzu Kurt Flaschs Einordnung. oder Nietzsches Kritik.
Die eigentliche Bedeutung nun des Kreuzestodes:  Jesus gibt also Anschauung über die Relation des hiesigen Daseins zum wirklichen Sein (ewigen Leben), womit man aber nicht auf das Verständnis der Menge, sondern vielmehr mit ihrer Ablehnung, ihrem Haß rechnen kann. Da die Welt sich vom geistigen Prinzip entfernt hat, liegt jenes – und somit das Gute –   in latenter Agonie. Dies ist gerade Signum des gefallenen  Zustandes, welcher zum Impetus zur Überwindung (die also lebenspraktisch ‘Ethisch Sein’ , aber vor allem  den Wunsch zur Transzendenz beinhaltet) gereichen soll.  Man soll am geminderten und uneigentlichen Sein nicht hängen, und selbst der höchstmögliche Schmerz verblasst angesichts der Überlegenheit (und wesenhaften Nähe und Allgegenwart/ dies ist gnostisch) der Eigentlichkeit der höheren Welt. Somit dient dieser Tod dazu, die Unbedeutendheit des Hierseins herauszustellen und dabei auf die tatsächliche  Herkunft zu deuten: “Wir sind aus dem Licht gekommen, dem Ort, wo das Licht durch sich selbst geworden ist. Es stand/befestigte sich selbst und es erschien in ihrem Bild.” In den Apokryphen wird zudem eine Kontinuität und Immanenz erklärt, die die Absenz des Ewigen als Defizienz des Sehens erklärt. “Die Bilder sind dem Menschen offenbar; und das Licht, das in ihnen verborgen ist, ist verborgen durch das Bild des Lichtes des Vaters. Er/es wird sich offenbaren, und sein Bild ist verborgen durch sein Licht.”
Durch die dogmatische Überbetonung der Kreuzessymbolik und so der Verstetigung der Schmerzens- und Sterbepose kommt es jedoch zur prinzipiellen Verhaftung im Hiesigen, man affimiert so das Diesseitige, ergeht sich in nicht endendem Schmerz und Betroffensein,  verweigert so zugleich die Lysis des Schmerzes durch die Auseinandersetzung mit seinem transitorischen Charakter, bedient sich  nun symbolhaft  nicht  ansatzweise suffizient der positiven und konstruktiven Pose der Auferstehung, vernachlässigt so das eigentlich Transformatorische  der Erzählung  und verfehlt damit gerade die eigene transzendente Vergewisserung.