Der Theismus und die sich anschließende Bildersprache gereicht im Prinzip zum Anthropomorphismus, lenkt also die Blickrichtung nicht zum Transzendenten (da dessen Hypostasen völlig andere Ansichten bergen), sondern führt den Blick stets zurück auf unsere Erfahrungswelt und verhaftet uns in ihrer gewohnten Anschaulichkeit. Der Bezug zum übersteigenden Impetus, der auch Wille zu dessen Beschreibung im Sinne einer Konkretisierung birgt, wird gehemmt, der Imagination selbst ist hierzu die Kraft genommen. Die wichtigsten (christlichen) Ikonographien, die Mutter mit dem Kinde neigt sich ebenso unserer Lebenswelt zu wie Jesu Tod am Kreuz, denn der Tod (erst Recht natürlich die Geburt) ist ja noch ganz die Sache der Lebenden, die Auferstehung indes entzieht sich der Anschaulichkeit und findet kaum ihr Abbild, nicht einmal ihr suffizientes oder angemessenes Symbol.
Und trotzdem gereicht die sakrale Bildersprache (idealiter) zu einer symboli(sti)schen Disposition, die eine Rahmung unserer Welt in einen größeren und höheren Kontext gewährleistet (hat). Dem Profanen und Lebensreellen wird etwas an die Seite gestellt, was von viel höherem Interesse, viel tieferem Ernst zu sein scheint und uns in aller Hinsicht zu überformen in der Lage sein kann.
Die sakrale Darstellung zeigt insofern einen allem Intelligiblen natürlichen Transzendenzwunsch (und dieser existiert ja apriorisch zu jedem religiösen System) und entwirft dem Menschen einen Überbau, eine Ahnung und Gemahnung. So der Mensch sich in einem nächsten Schritt vom genauen Symbol zu lösen versteht und jenes mit der Option zur Verallgemeinerung liest, kann er auch vom sakral-Figürlichen aus von der profanen Hiesigkeit abstrahieren und sich anteilig eines viel größeren, wenn auch vornehmlich vagen numinosen Kontextes fühlen:
Fichte sagt: “Jene Stimme ist das – nur durch meine Umgebung versinnlichte, und durch mein Vernehmen in meine Sprache übersetzte Orakel aus der ewigen Welt, das mir verkündiget, wie ich an meinem Teile in die Ordnung der geistigen Welt oder in den unendlichen Willen, der ja selbst die Ordnung dieser geistigen Welt ist, mich zu fügen habe.”
Versinnlichte höhere Welt ist dabei genauer genommen Abbild im Gegenständlichen eines Blickes in höhere Hypostasen.
So gewährt die sakrale Darstellung einen ambivalenten Blick auf diese, denn einerseits leistet sie wegen ihrem Anthropomorphismus diese Abbildung eben gerade nicht, ist sie somit Verstetigung der hiesigen Anschauung und Dinglichkeit, andererseits -würde man ganz von ihr absehen – was wäre dies nun schlicht für eine Welt, die sich selbst auf ihr äußerstes, profanes Antlitz ohne irgendeinen Hinweis auf das Numinosum reduzierte ?
Und konkreter: Ist christliches Abbild ohne Bezug und Kenntnis der Offenbarungstexte nicht einmal als Transzendentes zu verstehen, so sind mitunter die Darstellungen anderer Kulturräume (etwa der mesoamerikanischen Hochkulturen) viel eher Indiz für gesehene (andere, möglicherweise schamanisch induzierte) Welten, während im christlichen Bildnis kaum mehr als die Darstellung des Heiligenscheins ein Indiz für ein reales ontisches Wissen des Feinstofflichen hergibt (als die Darstellung eines Energiekörpers oder einer Aura). Völlige Bildlosigkeit hingegen repräsentiert eine gewisse Hypostasenfeindlichkeit und tritt vor allem in strengen Monotheismen auf, andererseits ist aber auch Abstraktion Bildlichkeit und Übersetzung der geistigen Hypostase; da Abstraktion aber Übersteigung der Form impliziert, wird hier zumindest die ‘Möglichkeit’ des Anthropozentrismus ausgeschlossen.