Kant’scher Telos und profanisierter Idealismus

“Weil aber eine reine praktische Teleologie, d. i. eine Moral, ihre Zwecke in der Welt wirklich zu machen bestimmt ist, so wird sie dessen Möglichkeit in derselben sowohl was die darin gegebenen Endursachen betrifft, als auch die Angemessenheit der obersten Weltursache zu einem Ganzen aller Zwecke als Wirkung, mithin sowohl die natürliche Teleologie, als auch die Möglichkeit einer Natur überhaupt, d.i die Tanszendental – Philosophie nicht verabsäumen dürfen, um der praktischen reinen Zwecklehre objektive Realität in Absicht auf die Mögichkeit des Obekts in der Ausübung, nämlich die des Zwecks, den sie als in der Welt zu bewirken vorschreibt, zu sichern.” (Immanuel Kant)
“Der Wunsch nach Einheit der Vernunft in ihrer theoretischen wie praktischen Funktion setzt auf den Gedanken, daß die praktische Vernunft im Grunde nichts anderes wollen kann als die optimale Entfaltung einer Keimidee, die in der menschlichen, ja in der Natur überhaupt schon angelegt ist.
So wäre es also die Natur selbst, welche die vollständige Vereinigung des Menschengeschlechts in einem mit den Forderungen des kategorischen Imperativs verträglichen Staat bezweckte.” (Manfred Frank)
J.G. Fichte: “Es ist die Bestimmung unseres Geschlechts, sich zu einem einzigen, in allen seinen Teilen durchgängig mit sich selbst bekannten und allenthalben auf die gleiche Weise ausgebildeten Körper zu vereinigen.”

“Nur die Gattung, nicht das Individuum erreicht die Bestimmung.” (Kant)

In diesem geschilderten Prinzip liegt eine Unabdingbarkeit der Welt-Entwicklung. Alle Ablehnung (oder Auflehnung) bzw. als solche verstandene Eigenermächtigung gegen dieses Prinzip muß daher lediglich als dialektische Position innerhalb dieses allumfassenden Prozesses verstanden werden. Die Grundintention dieser Kant`schen Aussage ist dabei durchaus von großer (praktischer) Aktualität, dies aber in zweierlei Hinsicht in profanisierter (trivialisierter) oder gar konterkarierender Form, denn:

1.Der Telos zur Vereinigung des Menschen scheint zwar allerorts als handlungsbestimmender Topos virulent, er lugt gerade auch hinter der politischen Terminologie derer hervor, die sich unter dem Banner der Globalisierung zusammenfinden möchten, so behandelt findet er aber keine echte Repräsentanz in der Tatsächlichkeit, er geht dieser vielmehr künstlich vorweg, lediglich als Proklamation, als ein Willkürliches ohne reale Begriffsfüllung, denn diese ist aufgrund mangelhafter Voraussetzungen zu einer Forcierung der Evolution nicht konkretisierbar, die Utopie ist in keiner Weise reif zur (globalen) Einlösung -dies wegen der großen Unterschiedlichkeiten verschieden explizierter Bewußtheit, dies auch gerade in Korrelation zu gegeneinanderstehenden, dabei wahrheits-und absolutheitseinfordernden Systemen (Religionen und Ideologien) und damit verbundenen ausgeprägten geistigen Hierarchisierungen. Durch die ideologische und politische Befeuerung der Proklamation und den daraus resultierenden Zwangslagen kommt es dabei nun zum Verlust der Kraft desjenigen Bewußtseinsstandes, der exponiert ist und der so in unendlichen Widerstreit verstrickt einer Herabtransformation preisgegeben wird. Somit erfährt die ganze Weltordnung in ihrer geistigen Entwicklung eine Minderung, der Telos wird (adäquat zum oben gesagten) höchst dialektisch auf die Probe gestellt.
2. Das Endziel ist nicht mehr Geist, sondern Immanenz. Es handelt sich also um die Verkürzung des Telos auf die weltiche Erfüllung, mit allen Konsequenzen, die das materialistische Weltild zeitigt- dies kann auch als Krieg gegen den Geist, als Auflehnung gegen das hohe Prinzip, gegen die Wahrheit bezeichnet werden. Sogenannte idealistische Positionen beziehen sich heute im Allgemeinen auf rein immanente Zielsetzungen, in der Regel auf ökologische Fragestellungen sowie auf die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit. Daß beides letztlich Indikatoren einer geistigen Verfaßtheit (eines Gemeinwesens) sind, das wird gar nicht gedanklich tangiert. Niemand mehr fragt nach dem ‘Dahinter’.

Eine Sentenz zum Eine-Welt-Staat:

Der Eine-Welt Staat ist ein gerade im Deutschen Idealismus gerne behandelter Topos – man kann auch sagen, er ist eine Notwendigkeit aus dessen Zielrichtung zur ‘Vereinigung des Menschengeschlechts’. Wie bei Kant oder Fichte ist diese Vereinigung Resultat eines globalen menschlichen Reifeprozesses. Der Eine-Welt Staat ist im Gegenteil nicht Voraussetzung, sondern Ergebnis einer globalen (moralischen) Läuterung. Ihn zur Voraussetzung zur Läuterung zu erklären, führt hingegen zum Faustrecht, zu endlosen Kriegen und Chaos, schließlich in den Untergang.