Soziale Inflation

C.G. Jung: “Geisteszustand: Dieser ist am schwersten bedroht durch die vorrherschenden -ismen, welche nichts anderes sind als gefährliche Identitäten des subjektiven mit dem kollektiven Bewußtsein. Eine solche Identität produziert unfehlbar eine Massenpsyche mit ihrer unwiderstehlichen Katastrophenneigung. Das subjektive Bewußtsein muß, um dieser furchtbaren Bedrohung zu entgehen, die Identifizierung mit dem kollektiven Bewußtsein dadurch vermeiden, daß es seinen Schatten sowohl wie die Existenz und Bedeutung der Archetypen erkennt. Letztere bilden einen wirksamen Schutz gegen die Übermacht des sozialen Bewußtseins und der damit korrespondierenden Massenpsyche.

Solange ein kirchliches Gemeinschaftsbewußtsein objektiv vorhanden ist, erfreut sich die Psyche (wie oben ausgeführt) einer gewissen Gleichgewichtslage. Auf alle Fälle besteht ein hinlänglich wirksamer Schutz gegen die Inflation des Ich. Fällt aber die Ecclesia und ihr mütterlicher Eros weg, so ist das Individuum schutzlos irgendeinem kollektiven -ismus und der dazugehörigen Massenpsyche ausgeliefert. Es verfällt einer sozialen oder nationalen Inflation, und dies in tragischer Weise mit derselben seelischen Einstellung, mit der es zuvor einer Kirche angehört hat.”

Eine bessere Erklärung zur gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation ließe sich kaum finden. Man denke aktuell an einen politischen (auch linguistischen) Kampf gegen die Archetypen (wie etwa die Mutter) und ebenso an wachsende Bestrebungen gesellschaftlicher (Protest-) Gruppen, die ihrem Wesen nach ersatzreligiösen Charakter anzunehmen scheinen.