Grundlegend zur menschlichen Individuation hatte einst Georges I. Gurdieff folgend geäußert: “Ältester meiner Enkel, höre und erinnere dich immer an mein strenges Vermächtnis: tu nie im Leben, was die anderen tun … Entweder tu nichts – geh nur in die Schule, oder tue etwas, was sonst niemand tut.”
Gurdieff stellt nun bekanntermaßen eine Pädagogik der Individuation auf, auf die hier aber nicht weiter eingegangen werden soll. Ganz allgemein gesagt, stellt er mit ihr folgende Aufgabe: “Verwirklichung der Dreidimensionalität – um höher zu steigen”. Dies ist prinzipiell der Weg der Gnosis, der Alchemie, der (tantrische) Weg der Durchwirkung des Seins zur Geistigkeit. Ich nutze ein Bild: Das ausgefüllte Sein, das sich bin in die letzten Winkel bekannt ist, tritt bzw. fließt über, verläßt die Grenze des Körpers und des Gehirns (und so die Profanität), es ist zu groß und voll geworden, als das es keine Teilhabe hätte an der Wirklichkeit neben, in und über ihm. Was aber ist hierfür die besonders wichtige Vorraussetzung? Es ist gerade die Besinnung auf das Ich und dessen Kenntnisnahme und Durchleuchtung zum Wesenskern (welche also zuletzt eine Ich – Überwindung bewirken muß), daher auch sagt Gurdieff: “Solange Menschen andere nachahmen, können sie nicht frei sein.” Freiheit ist das Fluidum, in dem der Geist sich zu sich selbst aufschwingen kann. Hier ist vor allem also die innere Freiheit oder Befreiung zum eigenen Geistigen angesprochen, allerdings muß man sehen, daß der Mensch in der alltäglichen Verhaftung kaum hierzu durchzudringen in die Lage versetzt ist, -auch wenn dies selbst im Alltäglichen durchaus möglich ist, was aber einiges an Disziplin und innerer Entwicklung und eine spezifische geistige Grundhaltung erfordert.
Daß die latente Profanität und Minderung der Umgebung -und ebenso deren Sublimationsmechanismen – wenig dazu angetan sind, diesen innerlichen und also bewußten Weg zu befördern, zeigt auch dieses folgende Zitat von Gurdieff: “Die zeitgenössische Kultur verlangt Automaten.”
R.P. Sieferle hat in eindrücklicher Weise diesen Zustand des anti-individualisierten Menschen in der Gesellschaft wie folgt umschrieben:
“Der postanthropomorphe Raum ist aus der Perspektive des Menschen fragmentiert und zugleich standardisiert. Individualität ist in ihm eher die Ausnahme – häufig wird sie auch mit der Kontingenz individueller Existenz verwechselt. Niemand nimmt mehr einen besonderen Raum ein, sondern jeder bewegt sich in Umgebungen, in denen immer die gleichen Artefakte in unterschiedlicher Konstellation vorkommen. So bildet auch er selbst in der Regel ein Mosaik vorgefertigter Stücke, deren Elemnte durchweg allgemein bekannt sind. Seine “Erfahrungen” sind so beliebig und in Massen produziert wie die Waren, mit denen er sich umgibt. Er hängt in einem umfassenden Netz, dessen Zuckungen er weiterleitet.”