Fichte und Ashtavakragita

Nicht bist du Leib, nicht hast du Leib,
Schmeckender bist du nicht noch Tuender.
Geist deiner Form nach bist du ewig zuschauend –
Teilnahmlos zieh dahin in Seligkeit.
Liebe und Haß sind Haltungen des Sinns,
Sinn ist nirgendwann in dir.
Erwägens bar bist du, Erwachen zur Wahrheit ist dein Wesen, –
Wandlungslos ziehst du dahin in Seligkeit.
In allen Werdewesen dein eigen Selbst
Und alle Werdewesen in deinem Selbst erkennend,
Bar der Ich-sucht, bar der Meinheit sei beseligt.
Worin dieses All erzitternd webt wie Wellen im Meer,
Das bist du allein: da ist kein Zweifel.

In dir, dem endlosen Weltmeer,
Mag die Welle all ihrem Werden gemäß steigen oder fallen:
Das macht dich nicht wachsen, das nimmt dir nichts weg.
Lieber, Geist allein ist deine Form,
nicht verschieden von dir ist diese Welt.
Also woher? wie? und wo? stellst du dir Minderung oder Mehrung vor?
Im alleinen ruhevollen unvergänglichen Ätherraume des Geistigen,
Dem fleckenlosen, der du bist, –
Woher käme da Geburt? woher frommer Dienst an ewiger Satzung?
Und woher gar Ichgefühl?
Was du erblickst, darin strahlst du dich alleinsam wider.

(Ashtavakragita, Fünfzehnter Gesang)

Aus dem Zweiten Buch, Wissen, von Fichte:
“In aller Wahrnehmung nimmst du lediglich deinen eigenen Zustand wahr.
Es gibt nichts Sichtbares oder Fühlbares überhaupt, weil es kein Sehen oder Fühlen überhaupt gibt.
Du verbreitest sonach die Empfindbarkeit, und zwar deine eigne … durch die ganze Masse hindurch; und diese selbst ist überall nichts anders als das Empfindbare selbst.

…und alles, was du außer dir erblickst, bist immer du selbst. Man hat dieses Bewußtsein sehr passend Anschauung genannt. In allem Bewußtsein schaue ich mich selbst an; denn ich bin Ich: Für das Subjektive, Das Bewusstseiende, ist es Anschauung. Und das Objektive, das Angeschaute und Bewusste, bin abermals ich selbst, dasselbe Ich, welches auch das anschauende ist – nur eben objektiv, vorschwebend dem Subjektiven.

Du teilst, du begrenzt, du bestimmst die möglichen Formen der Dinge und die Verhältnisse dieser Formen von aller Wahrnehmung vorher.

Es ist nicht im Dinge und strömt nicht von ihm aus. Es strömt von dir aus, in dem es ist und dessen eigenes Wesen es ist.
Und mit dieser Einsicht, Sterblicher, sei frei, und auf ewig erlöset von der Furcht, die dich erniedrigte und quälte. Du wirst nun nicht länger vor einer Notwendigkeit zittern, die nur in deinem Denken ist, nicht länger fürchten von Dingen unterdrückt zu werden, die deine eignen Produkte sind, nicht länger dich, das Denkende, mit dem aus dir selbst hervorgehenden Gedachten in Eine Klasse stellen.

Alle Realität verwandelt sich in einen wunderbaren Traum ohne ein Leben, von welchem geträumt wird, und ohne einen Geist, dem da träumt; in einem Traum, der in einem Traume von sich selbst zusammenhängt. Das Anschauen ist der Traum; das Denken – die Quelle allen Seins, und aller Realität, die ich mir einbilde, meines Seins, meiner Kraft, meiner Zwecke – ist der Traum von jenem Traume.

Die Realität, die du schon erblickt zu haben glaubtest, eine unabhängig von dir vorhandene Sinnenwelt, deren Sklave du zu werden fürchtestest, ist dir verschwunden; denn diese ganze Sinnenwelt ensteht nur durch das Wissen und ist selbst unser Wissen; aber Wissen ist nicht Realität, eben darum, weil es Wissen ist. Du hast die Täuschung eingesehen und kannst, ohne deine bessere Einsicht zu verleugnen, dich nie derselben wieder hingeben.”