Zwei Erkenntniswege

“Die späteren Pythagoreer lassen sich in die Gruppe der Akusmatiker und die Gruppe der Mathematiker aufteilen. Für den akusmatischen Pythagoreer stehen die alten Hörsprüche, die um Opfer und Kultur kreisenden rituellen Vorschriften und Tabus im Vordergrund. Die Mathematiker hingegen könnte man als die Wissenschaftler unter den Pythagoreern bezeichnen, sie verstehen ihre Hauptaufgabe auf der wissenschaftlichen Durchdringung – und der Weiterentwicklung der Lehre Pythagoras”
  “Daß mit dem Fortschreiten von Wissenschaft und Philosophie die altertümlichen Vorschriften der Hörsprüche seit dem 5.Jahrhundert v.Chr. zunehmend obsolet wurden, durfte nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, daß der Graben zwischen den beiden Richtungen im 4. Jahrhundert endgültig unüberwindlich geworden ist. ” (Riedweg)
Diese Beschreibung liest sich für mich wie eine Parabel auf zweierlei grundlegende  Arten, wie mit einer offenbarungsartigen  Erst-Verursachung  verfahren werden kann; nämlich einerseits auf einem auf Tradition fokussierten , konservativen Wege, und zum anderen auf einem Weg der Progression, Entfaltung und Durchdringung. Zuvorderst schauen wir auf den selben Keim, den gleichen Ursprung, dann aber tritt wie im Falle der Akusmatiker eine Haltung hinzu, deren Hauptinteresse  durch Beharren auf das Symbolhafte und auf die Tradierung der Form  gekennzeichnet  ist. Sie hat typischerweise – bei einer Tendenz zur Ritualisierung – mit zeitlicher und mentaler Abstandnahme historisierenden Charakter, was die Wahrscheinlichkeit  einer zunehmenden Entleerung oder gar Verstellung der eigentlichen Intention bedeutet, dies aber verbunden mit einem   Besitzanspruch und einem Verteidigungsgestus –  gekoppelt an ein Elitedenken, dem Selbstverständnis eines inneren Zirkels, der aber schon nach wenigen Generationen  dem eigentlichen Inhalt und Auftrag deutlich entfremdet ist und so gewillt sein muß, die Hauptmühe auf die Bildung einer Wagenburg zum -nun ihrer  Funktion und Auftrag nach fragwürdig gewordenen – Eigenerhalt  zu richten.  Dieses Szenario beschreibt eigentlich die ganze Defizienz “des Konservativismus” im negativen Sinne.
Tatsächlich aber trägt ja “Offenbarung” einem Samen gleich  einen   inhaltlichen Auftrag zur Entfaltung  und ist daher über die Zeiten hinaus formuliert, muß sich also zeitgemäßer Herausforderung darbieten und  soll  so jederzeit Bestand wie Entwicklung erfahren.
 Dem nähert sich also der alchimische, der gnostische, der auf Progression bedachte Weg viel eher an, er möchte in  Wandelbarkeit der Beschreibung (die als Methode sekundär ist) diesen Keim zur Frucht bringen. Die Gefahr allerdings, der er dabei unterliegt, ist die Profanisierung und Entfremdung vom transzendenten Nukleus. 
  Dabei existiert ja durchaus eine Konvergenz  beider Wege (so der konservative Weg den wahren Grundgehalt und der alchimische Weg nicht sein Sanctum verloren hat), denn beide laufen zuletzt auf einen  geschichtlichen Punkt, an dem sie sich treffen müssen. Der symbolische Ansatz, unter Rückbesinnung und Wissen um die tatsächliche Intention und ihre Bewahrung (etwa vor den Widrigkeiten  durch Gegenkräfte) und die alchimische Durchdringung,  die zuletzt die globale  Durchdringung “für alle” meint -beide finden  genau in ihrer  geschichtlichen Erfüllung zusammen, die schließlich als grundlegende Aussage der Offenbarung gemeint ist.