Entspiritualisierung

Eine prinzipiell dramatische Situation stellt die westlich-kulturell bedingte Stagnation von spiritueller Entwicklungsmöglichkeit bzw. überhaupt die Nicht-Spiritualität im fortgeschrittenen Alter dar. Anders als in anderen Kulturkreisen, wo das gesellschaftliche Modell einen sukzessiven Rückzug aus den “profanen Verbindlichkeiten” in spirituelle Klausur vorsehen kann, ist hier eher die gegenteilige Entwicklung zu beobachten, daß sich mit fortschreitendem Alter  aufgrund der biographischen Entwicklung eine Distanz zum eigenen Glauben ausbildet, was nebenbei etwas über dessen mangelnde Tragfähigkeit (und ursächliche Oktroyierung) aussagt. Statt sich mit den letzten Dingen in Hinsicht auf die Bewußtwerdung angemessener Perspektiven zu befassen,wird der alte Mensch in der Regel auf Profanisierung durch trivialisierende Beschäftigungsangebote zurückgezogen. Die Auseinandersetzung und die Integration mit der eigenen Biographie, die aktive und passive Vorbereitung auf die Sterbephasen und die Erschließung einer Perspektive über Krankheit, Schmerz und Tod hinaus sowie eine adäquate Begleitung oder Führung hierzu findet, wenn überhaupt, nur in rudimentärster Form statt.
Und in diesem Kontext auch Stansilav Grof:” Wenn wir das Bewußtsein und nicht die Materie für die auschlaggebende Dimension unseres Daseins halten, wird uns die Art und die Qualität unserer Erfahrung des Sterbens und des Todes mehr am Herzen liegen als die mechanische Verlängerung des Lebens um jeden Preis.” Dem ist wenig hinzuzufügen, und die “westliche Tragik” liegt zum guten Teil eben darin, daß die eigene Religion hier keine tiefgreifende und tiefenwirksame Antwort weiß.