Seele, Durchlichtung

W. Beierwaltes zum Neuplatonismus: “Selbstpräsenz als Selbstdurchlichtung

Der Seele als solcher ist kein eigentlicher Selbstbezug und damit auch keine eigentliche Selbsterkenntnis möglich, dies nur dem Geist in ihr, d.h. einer Seele, die sich in den sie begründenden und in ihr wirkenden Geist transformiert und sich so ihres eigenen Grundes vergewissert hat. Als Bild in sich fixiert, d.h. ohne sich selbst als Bild zu realisieren, hätte die Seele zu wenig ‘Licht’ und Klarheit, sie wäre nur auf Anderes, nach außen, gerichtet. Geist als in sie einstrahlender Grund ist die Bedingung der Möglichkeit des erinnernden Selbstbezuges und damit des Aufstiegs.”

Im indischen Samkhya:
“Der Seele wird die Tätigkeit auf Grund ihres Herrseins nur in uneigentlichem Sinne zugeschrieben, wie z.B. Sieg und Niederlage, die doch den Soldaten angehören, uneigentlich dem König zugeschrieben werden … Das in Wirklichkeit handelnde Prinzip ist das zweite der inneren Organe, der Ahamkara… . Wie kommt es dann aber, daß uns, bevor wir nicht den wahren Sachverhalt begriffen haben, die Seele als handelnd erscheint? ‘ Weil infolge der Verbindung mit der Seele der ungeistige innere Körper scheinbar geistig, und ebenso die am Handeln unbeteiligte Seele scheinbar handelnd wird.’ (Karika) Oder spezieller: weil der ungeistige Ahamkara nur infolge des belebenden Lichtes wirkt, das die Seele auf ihn wirft, und weil es eine Funktion des Ahamkara ist, den Wahn zu erzeugen, daß unser Ich, unsere Seele das handelnde und leidende Subjekt sei.” (Richard Garbe)

Man sieht hier, daß im Samkhya ein sehr ähnlicher Sachverhalt wie im Neuplatonismus zum Ausdruck kommt, was aber durch die variante Zuschreibung der Begriffe Seele und Geist etwas verstellt wird. Was nämlich im Neuplatonischen das Verhältnis von Geist zu Seele meint, wird hier zum Verhältnis von Seele zu ahamkara. Seele aber wird dabei bereits als Geist, als geistig begriffen, ahamkahra wird zu einem dem Unten zugeneigten (Seelen-)Aspekt, der im Neuplatonischen prinzipiell die untere Seelenqualität meint, die den Blick in die falsche Richtung (unter dem falschen Bild von der Einzelseele), zum Materiellen hin gelenkt hat und nun im (bzw. zum) Hiesigen als tätiges Agens wirkt.
Wikipedia: “Ahamkara ist ein Individuationsprinzip, die Ursache eines (wenn auch illusionären) eigenständigen, separaten Daseins oder genauer: der irrigen Vorstellung von einem solchen Dasein. Auf Ahamkara beruht die Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt.
Ahamkara bewirkt den irrigen Glauben, dass wir handeln oder etwas erleiden; in Wirklichkeit ist Purusha, das wahre Wesen der Seele, nach der Samkhya-Lehre unveränderlich und daher von solchen wechselnden Zuständen frei. Ahamkara ist die erste Ursache der Täuschung (abhimāna), nämlich der irrigen Meinung, die Objekte und Handlungen, mit denen das Bewusstsein zu tun hat, seien auf ein Subjekt, ein ‘Ich’ bezogen, das etwas vollbringt oder erlebt. Ahamkara hängt mit dem Vorherrschen der Rajas-Guna zusammen, der Neigung zu leidenschaftlichem Handeln.

Im Advaita Vedanta ist Ahamkara die illusionäre Identifikation des unbegrenzten Selbst mit besonderen, begrenzten Gegebenheiten, die irrige Annahme eines separaten Ich. “