Ägyptische Götter

Goethe über die ägyptische Götterwelt:

“Nun soll am Nil ich mir gefallen
Hundsköpfige Götter heißen groß
O wär ich doch aus meinen Hallen
Auch Isis und Osiris los!”

Hier liegt offenbar die falsche Einschätzung zu Grunde, die ägyptischen Götter wären wörtlich zu nehmen. Dabei ist ihre Vielgestaltigkeit, ja  ihr ” interner Synkretismus”, lediglich sichtbar gewordener Ausdruck der Möglichkeit des Geistigen zur Mannigfaltigkeit. Denken wir daran, daß Platon in ägyptischen Mysterienschulen initiiert war, könnte man zu der Annahme kommen, daß gerade seine demiurgische Vielheit, der “platonische Ideenhimmel” von dort inspiriert sein könnte (wenigtens dies über Pythagoras) . Die verschiedene Gestaltigkeit der Götter  bedeutet dabei den Versuch der Darstellung der Explikation von verschiedenen Aspekten einer höheren -und nichtgestaltigen- göttlichen Identität. Was im Christentum auf die ganz willkürliche und als Rudiment der Gnosis zu betrachtende Vielheit der Trinität reduziert wurde, ist hier noch ursächlich  entfaltet und  der Konzeption nach -wie ich nahelegen möchte- gar unmittelbar erfahrungsinduziert. Das Implizite ist in seiner Qualität Bereitschaft und Möglichkeit, (ist zudem in seiner Explikation erwartungs-und beobachtungsabhängig) und kommt so zur variablen Gestalt. Letzter Aspekt des Göttlichen aber ist Transzendenz jeder Formhaftigkeit und Eigenschaft. Der ägytische Pantheon bietet hier assoziationsreiche Anschauung der untergeordneten Verwirklichung und des Eintretens  in die Sphäre des Seins und somit im Umkehrschluß Hinweis auf ein letztes Nichtseiendes (und ist so der Transzendenzvorstellung der späteren abrahamitischen Systeme bereits voraus).
Ein Aspekt zudem, der mir symphatisch erscheint:  Die ägyptische Sicht erkennt in den Tieren oft die physiologische Überlegenheit gegenüber dem Menschen und findet sich daher nicht allein mit einer anthropomorphen Spiegelung bzw. Überhöhung ab. Sie versucht vielmehr, mit der  Inszenierung überlegener tierischer Aspekte  die Überlegenheit Gottes zu verdeutlichen. In gewisser Hinsicht handelt es sich hier für mich um eine Adlung der Tierwelt, durchaus mit dem Hinweis auf die perzeptionsabhängige Erweiterbarkeit des menschlich beschränkten Weltbegriffes, wie z.B. auch von Tolstoi gefordert.