Nahtoderfahrung, Schamanismus, Ayahuasca (DMT)

Ich habe mich insgesamt mit wohl einigen hundert Nahtoderfahrungen befaßt, Berichte in verschiedenen Zusammenhängen und Perspektiven studiert. Folgende zentrale Merkmale, die immer wieder geschildert werden, möchte ich hier besonders hervorheben und (knapp) in Beziehung setzen.

Bei Situationen des Ausfalls lebenswichtiger organischer Funktionen oder bei traumatischen Erlebnissen mit akuter Lebensbedrohung kommt es zu folgenden Phänomenen:

-Spontaner Austritt aus dem Körper (in personaler [Bewußtseins-]Identität)
Typischerweise erfolgt eine Beobachtung des Szenarios von erhöhter, schwebender Position. Es tritt umgehend ein starkes Desinteresse oder Entfremdungsgefühl vom eigenen Körper und der Körperwelt allgemein ein. Die räumliche Position der Beobachtung kann variieren, und man ist in der Lage, durch physikalische Hindernisse wie Wände oder Decken hindurchzugehen oder hindurchzuschweben.
(Im Schamanismus kommt es ebenfalls zum vergleichbaren Körperaustritt, beispielsweise bei Carlos Castaneda wird geschildert, wie der Proband einer Meskalin – Initiation in seinem Bewußtsein in persona durch Zimmerwände hindurchgeht.)
-Tunnel, Transit-Erlebenis
Es wird von einem Übergehen in eine andere, unbekannte Örtlichkeit berichtet. Zumeist wird dieser Übergang als Tunnel erlebt, als ein dunkler Durchgang, ein Transit zu einer anderen Erlebnissphäre oder einer anderen, als fremd und doch vertraut und dabei “höher” empfundenen Dimension. Dies kann von signifikanten Geräuschen oder optischen Eindrücken begleitet sein, ebenso von einem Gefühl “energetischer Hebung”.
(Eine vergleichbare Form der Entrückung wird gerade auch von den Zeugen von UFO-Entführungen geschildert. Typischwerweise kommt es auch hier zu einem Transit, begleitet von einem Hindurchschweben durch Hindernisse wie Mauern oder Zimmerdecken, ganz verwandt dem weiter oben Angeführten.)
-Lebensrückschau
Oftmals erfolgt eine Lebensrückschau, hierbei wird jeder Aspekt der Biographie gesehen, durchlebt und auch durchfühlt, das gesamte Leben wird so noch einmal in plastischster Art im Betroffenen entfaltet. Er durchlebt die Zustände alle auch in ihrer Emotionalität, nicht nur die eigenen, sondern auch die derjenigen, in denen er Emotion hervorgerufen hat, positiv wie negativ.
(Typisch für den Schamanismus: Der Schamane hat Anteil an der Emotion anderer und fühlt deren Zustände, hört deren Rede und Gedanken.)
-Gesteigertes Realitätsgefühl
Typisch auch ist ein gesteigertes Realitätsgefühl, d. h. das Erlebte wird als eine “wirklichere Wirklichkeit” wahrgenommen und auch nach der Rückkehr in das Normalbewußtsein als solche eingeordnet, die Rückkehr in den Körper (in die Körperwelt) hingegen wird als Minderung des Seins, als unangenehm und nicht (mehr) erwünscht empfunden.
(Dies ist ein ganz verbreiteter Topos, der nicht zuletzt tiefere philosophische Implikationen aufweist, so findet hier etwa die Ontologie Platons von der eigentlichen Wirklichkeit jenseits unseres raumzeitlichen Daseins (siehe sein Höhlengleichnis) eine Entsprechung. Aber auch der schamanische Proband, der am Ayhahuasca-Ritual teilnimmt, erlebt den Zustand der Entrückung eben gerade nicht als halluzinogen, sondern als gesteigerte, wahrhaftere Realität, die die uns bekannte raumzeitliche Realität als geminderte, reduzierte Form des Daseins erscheinen läßt.)
-Verändertes bzw. aufgehobenes Zeitgefühl
Das Zeitgefühl wird tranzendiert. Auch wenn sich beispielsweise im Angesicht einer tödlichen Gefahr das NDE nur während eines Bruchteils einer Sekunde abspielt, kann eine Erlebnissfülle auftreten, die nach Wiedereintritt in das Normalbewußtsein subjektiv in viel längeren Spannen, bis hin zu Jahren bemessen werden kann. (Auch genau dies kann im schamanischen Ritual ähnlich erlebt werden. Ein Schamane gab nach einem Versuch mit DMT, der etwa 10 Minuten dauerte, an, er hätte diese Zeit als Spanne von gefühlt eintausend Jahren erlebt.)
-Jenseitsschilderungen
Es werden Szenarien beschrieben, die unserem bekannten Bild von Landschaften ähneln können – dies aber in einer energetisch und visuell als gesteigert empfundenen Form. Oftmals werden phantastisch oder besonders komplex, aber gleichzeitig luzid anmutende Bauten, Städte, oder auch (seltener) unerklärliche Konstruktionen hoher Komplexizität beschrieben. Diese Schilderungen scheinen mir oftmals eine gewisse Repräsentation spezifischer, individueller Bewußtseinsinhalte des Betreffenden zu enthalten, aber dies ist wiederum nicht zwingend. (Solche Schilderungen sind auch von schamanischen Ritualen bekannt, sie lassen sich auch mit der zweiten Hypostase Plotins (Geist, Vielheit) in Beziehung setzen, oder naturwissenschaftlich mit Hyperräumen, Konfigurationsräumen, Parallelwelten usw.)
-Die Licht-Erfahrung
Absolut zentral aber und mehr oder weniger allen NDEs gemein ist eine substanzielle Licht-Erfahrung. Dieses als in seiner Intensität unbeschreibar helle und einnehmende, aber in der Regel nie blendende und äußerst angenehm erlebte Licht evoziert gleichzeitig eine totale Umfassung des Betroffenen und bewirkt in ihm das Gefühl bedingungsloser Liebe und absoluter Angenommenheit, das Erleben hierüber wird durchgehend als jenseits aller Beschreibungsmöglichkeiten geschildert. Ein oftmals berichteter und besonders relevanter Aspekt ist hierbei eine seinshafte Teilhabe des Ich an eben jener Umfassung. (Im Schamanismus die Äußerung: “I am an atom in the Gods cube” – oder ein anderer (DMT-)Proband: “I WAS the light”. Weiterhin ist hier also ohne weiteres an die neuplatonische Teilhabe des Individuums am hypostasierten Einen zu denken. Das Licht korreliert mit dem Einen, denn das Licht repräsentiert stets die höchste Instanz des Seinshaften.)

Nun, für eine Evidenz: Nach meiner Beobachtung wäre es wohl möglich, gerade die Schilderungen der Erlebnisse, die während der Zeit außerhalb des Körpers stattfinden und auf Beobachtungen des räumlich bzw. vom Körper befreiten Bewußtseins basieren, nach empirisch einwandfreien Kriterien auf ihren Wahrheitsgehalt zu untersuchen. Hier wurde bereits von vielen Beteiligten potentiell Beweiskräftiges erlebt, beobachtet und beschrieben, man hat dies aber bisher nie ausreichend auf eine wissenschaftliche Basis gestellt. Schildert ein im Koma liegender Proband etwa Gespräche, die zu gleicher Zeit im Nachbarraum stattfanden, oder schildert jemand, der operiert wird, was während der Narkose (von der Decke des Zimmers betrachtet) im Raum detailliert vor sich ging, so ist dies unbedingt ein Hinweis auf die Evidenz nichtlokaler Bewußtheit.
Es läßt sich hier also (angesichts der Potenz dieser Information) der begründete Verdacht nahelegen, daß die genauere Untersuchung hierüber (immer noch) mit allerhand hemmenden Kräften konfrontiert ist. Es bedarf keiner besonderen Phantasie, daß verschiedene Interessenlagen, die an nach wie vor mächtige Paradigmen gekoppelt sind (Materialismus, Theismus…), eben um den Einsturz jener fürchten und so bestrebt sind, erst gar kein größeres, nachhaltig in die Allgemeinheit diffundierendes Wissen um die Signifikanz solcher Berichte aufkommen zu lassen.