Realisierung des Bildes

Werner Beierwaltes zum Neuplatonismus: “Kunst also ist Realisierung des Bildes ‘Welt’ oder ‘Natur’ im Bild oder im Medium von Bildern. Wie die ontologischen Bilder Geist – Seele – Welt nicht einfach abbildende Wiederholungen der vorbildhaften Wirklichkeit sind, sondern trotz ihrer geringeren Seinsintensität den Blick auf ihr Ur-Bild eröffnen, so kann auch das ‘ästhetische’ Bild (sei es ein Gemälde, eine Plastik, sei es Musik oder Poesie) nicht eine platt-realistische oder veristische Wiederholung oder Wiederspiegelung der äußeren ‘Natur’ sein, die Erfahrung und Denken illusionistisch irreführte. Das durch den Künstler hergestellte Bild ist vielmehr ein Appell an den reflektierenden (nicht unmittelbar ‘genießenden’) Betrachter, sich des Ur-Bildes zu erinnern: Die empirisch faßbare Schönheit der künstlerischen Gestalt wird zum Anlaß oder zu einem den Akt selbst begleitenden Medium des Rückgangs und Aufstiegs des Denkens.”

“Ausgangs- und Zielpunkt des künstlerischen Schaffens im Bild ist demnach das Ideal-Bild, die Kunst selbst wird zu einem Moment einer Spiritualisierung und Sublimierung der Welt.”

“Der Rückgang des Künstlers auf die rationale, innere Struktur der Natur schließt eine scheinhafte Nachahmung der äußeren Realität der künstlerischen Produktion aus.”

Das Bild ist eben dann Verweis, wenn es über sich selbst hinaussieht – und sehen läßt! , wenn es im Betrachter eine Apellfunktion übernimmt – zum Unausgesprochenen Wege bahnen will, wenn es viel Tieferes berührt als jenes, das mit analytischer oder sachlicher Betrachtung eingefangen werden könnte. Es soll mit der imaginativen und zum Geistigen verbindenden Kunst so verstanden werden, daß es sich um eine Kraftübertragung handelt, eine Energetik wird herangeführt an den Perzipienten durch das Bild, weil (oder wenn) dieses als ‘Abdruck’ oder ‘Vermittlung’ überdiskursiven Prozessen folgt. Um aber dorthin zu gelangen, soll das Bild daher in keiner Weise bemüht sein, bereits Bekanntem nachzugehen (per se soll es nicht mimetischer Natur sein), es soll nicht einmal intentionsgeleitet sein, sondern es muß im Prozeß des Entstehens durch die Herangehensart des Künstlers ganz sich selbst autark werden und dabei an einer Grenze, einer ‘Geographie’ rühren, die den Künstler selber weiterführt und überraschen kann. Dies aber vermages nur, wenn es die Dynamik einer in Freiheit entlassenen, kraftgeleiteten ‘Vermessenheit’ annimmt. Voraussetzung hierfür ist Ingenium des Schöpfers, und Signum des Ingenium ist indes Grenzgängertum, ist Kampf und (Scheitern), Steigen (auch Fallen), um schließlich erfolgreich abzuringen. Dies aber nicht notwendig im Sinne einer Avantgarde als programmatischer Radikalität gegenüber überlieferter Norm, denn zum Einen ist alles Programmatische dem Wesen nach schon nicht aus der Freiheit. Zudem, wenn auch das Unbeschrittene in der Räson des Telos liegt, soll die Enstehung ganz ungerichtet sein für sich selbst im individuellen Sein des Künstlers, der im Grenzgang von der Energie abschöpfend, ganz frei in den Stilmitteln – doch ewigen Anlagen zur Form begegnet, die ihrer Natur nach – auch bei originärer Explikation ein Gefühl des Bekanntseins im Perzipienten hervorrufen kann.