Gnade und Teilhabe

Auf Grundlage der Philosophie des Advaita Vedanta läßt sich von einem Anhänger der Lehre folgende Aussage treffen:
“Alles was ich habe, ist das Resultat meiner Handlungen. Ich korreliere sinnvoll zu dem Feld, insofern spiegelt mein aktuelles Sein meine Nähe oder Ferne zu dem Feld wieder.”
Dies ist aufgrund der ontischen Gleichheit der Seinsbereiche (‘Feld’ hier synonym für die Totalität des Seins), die dem atman- brahman Konzept inhärent ist, nur folgerichtig.  Der spirituelle Weg bezeichnet eine Angleichung der Eigenheit zur Eigentlichkeit. Diese meint Entwicklung zur Erweiterung im Sinne einer Ichabgabe als ein Über Sich Hinausgehen in eine relative  Unbestimmtheit, die sich letztlich als atman konstituiert  und dabei den Ich-Aspekt zum eigentlichen (höheren) Selbst integrierend in der Blickrichtung zum Höchsten diesem derart immer näher kommt, indem es sein ichhaftes Sein  im Kern als jenes  rein geistige Sein erkennend seine desintegralen Aspekte, zu denen prominent die raumzeitliche Individuation und Wahrnehmung zu zählen sind, überwinden will.
Insofern ist die eigene aktuelle Verfasstheit ein Resultat auf diesem Weg, sie ist (über Inkarnationen) selbst erarbeitet, man kann auch sagen: sie ist verdient.
Hier läßt sich nun ein Kontrastierung  zur theistischen – explizit zur protestantischen – Religiosität anbringen: Dort gilt gerade der äußere Erfolg als Aussage über das eigene Sein und somit  als Ausweis und Verdienst (vermeintlich) gottkonformen Lebens. Da im Theismus  eine ontische Getrenntheit des Menschen zum Numisosum besteht, wird der Wirk-Mechanismus von Selbst-Sein und transzendierender Aktion  einem Vater-Sohn Verhältnis überschrieben, und diese unabdingbare Spaltung  erwirkt eine  diskontinuitive ‘Resonanz’, nämlich ausgedrückt im Gnadenerweis, der aber in seiner Vollgültigkeit eigentlich erst  in dem von der Hiesigkeit abgeschnittenen Ereignis der Erlösung vollzogen werden kann, also am apokalyptischen Ende der Zeit als Gericht über die Seelen und ihre Taten. Nun aber  expliziert man, wohl einem inneren Drang gemäß, doch ein hiesiges ‘Verfasstsein zu Gott’, dabei aber – weil die Hiesigkeit eben  als abseitig vom Numinosum gedacht ist, sichtbar nun in  äußerem (weltlichen) Zustandekommen – ohne Ausweis der Teilhabe an irgendeiner spirituellen Inhärenz, was genau als Signum der Verhaftetheit (bzw. als eigentliche A-Religiosität) der Lehre gedeutet werden kann. (Der  vielbeschworene Glaube indes kann die  besagte Diskontinuität nun keineswegs überwinden.) Der Erfolg zeigt sich nun vornehmlich in weltlichen Dingen und nicht an vom Subjekt erschlossener Mitwirkung, an Inspiration, Intuition oder geistiger Erkenntnis. John Wesley: “Denn Religion muß notwendig sowohl Arbeitsamkeit als auch Sparsamkeit erzeugen, und dies könnte nichts anderes als Reichtum hervorbringen.” Was hier aber  zum prominenten  Signum protestantischer Spiritualität wird, ist  dem Vedantisten hingegen Sekundär-Ergebnis seiner Tugend, die durch disziplinierte Lebensführung eine Wahrscheinlichkeit eben auch für den äußeren Erfolg vergrößert und diesen mit einschließen kann. Im Kern aber geht es -anders als beim Theisten – um inneren Reichtum, um spirituelle Veränderung und  erkennbares Wachstum  durch Teilhabe und Selbst-Sein und aktualen Vollzug, als  Ereignis auf dem Weg der Annäherung und schließlich der Gleichwerdung, und zwar in der Kontinuität, die dem Monisten eigen zu sein hat.