Das Gute erfassen

Plotin: “Keineswegs erfasse ich ein anderes Gute und du ein anderes, sondern wir beide das nämliche, und dies nämliche nicht so, daß zu mir von ihm dieser Strom fließt und zu dir jener, so daß Jenes irgendwo droben schwebte und seine Ableger hier unten wären. Und es gibt sich das Gute dar den Empfängern, auf daß diese es wahrhaft empfangen können, nicht Fremden, sondern nur denen, die sein eigen sind. Denn die Gabe des Geistes duldet keine Überbringer. …
Da wir also vereint sind mit dem Guten, sehen wir es und erfassen es, denn vermöge unserer geistigen Kräfte sind wir mit ihm zusammen.”

Dies die klare Absage an jede Mittlerschaft. Keinerlei Übersetzung ist gefordert – so auch kein Symbol, keinerlei Institution, nicht irdischer Art und nicht in der Form überirdischer Adressaten und Anrufung. Man denke hier etwa an die Ablehnung der Theurgie Iamblichs aus der platonischen Kernintention heraus: “Denn da die ganze Natur unter sich verwandt ist und die Seele alles innegehabt hat, so hindert nichts, daß, wer nur an ein Einziges erinnert wird, was bei den Menschen lernen heißt, alles übrige selbst auffinde, wenn er nur tapfer ist und nicht ermüdet im Suchen.
Aber nur Unmittelbarkeit des Einen, des Guten im Sein als Tätigsein und im ruhigen Verharren als Findung des ureigenen Kerns ist vonnöten. Im Menschen ist alles vorhanden, so er bereit wird zu einer Überwindung des Naturzustandes, des Nicht-Bewußten und Unentwickelten – auch Tamas benannt (als Dunkelheit, Unwissenheit, Trägheit)-, aus animalischer Notwendigkeit wird einst die unbedingte Freiheit im Geistleben.