Negative Theologie

 In seinem Rekurs auf vorchristliches Gedankengut überschreitet Meister Eckhart deutlich  die Prämissen “der” christlichen Mystik.  (Nach ihm erst wieder die Theosophen im Gefolge Jakob Böhmes).
Meister Eckhart sagt : “Die heidnischen Meister hingegen gelangten… zu so hoher Erkenntnis, daß sie eine jegliche Tugend anschaulich genauer erkannten als Paulus oder irgendein Heiliger in seiner ersten Verzückung.”
Eckhart steht deutlich in platonischer und neuplatonischer Tradition, insofern ist es ihm selbstverständlich, die  im Sinne Plotins geistige Hypostase (als Vielheit, als feinstoffliche -oder heilige- Sphäre) zuletzt als  überwindenswert darzustellen. Läßt sich aus platonischer Sicht das Geistige als Ideenhimmel oder eben Vielheit beschreiben, so nennt Meister Eckhart diesen Seinsbereich  “Umkreis der Ewigkeit” und er sagt:
“Drum wirf sie hinaus, alle Heiligen und unsere Frau aus deiner Seele, denn sie alle sind Kreaturen und hindern dich an deinem großen Gott.” Oder mit monistisch-idealistischer Perspektive:
“Daher ist Gott nirgends und niemals vorhanden als im Intellekt.”
 
Der Intellekt bar jeden Zusatzes meint die Eins-Werdung und gleichzeitig die totale Ent-Attributierung von Gott. Darum kreist Eckharts ganze Rede. In dieser endgültigen Negation und Einsheit ist dann das einzige Sein vorhanden, jedem Attribut darüber hinaus kommt bei Eckhart absolutes Nicht-Sein zu. In dieser Radikalität (bzw. in dieser Klarheit der Zuordnung von Sein und Nichtsein) und dem prinzipiellen Desinteresse an der geistigen Hypostase geht er noch deutlich über den Neuplatonismus hinaus und gleicht sich in besonderem Maße  buddhistischen Aussagen an.
“Darum bitten wir Gott -(man beachte hier das Paradoxon der Bitte)- daß wir Gottes ledig werden und daß wir die Wahrheit dort erfassen und ewiglich genießen, wo die obersten Engel und die Fliege und die Seele gleich sind, dort, wo ich stand und wollte, was ich war, und war, was ich wollte.” 
Angelus Silesius
übrigens sagt später etwas ganz ähnliches:
“Weg, weg ihr Serafim, ihr könnt mich nicht erquicken.
Weg, weg, ihr Heiligen und was an euch tut blicken.
Ich will nun euer nicht, ich werfe mich allein
Ins ungeschaffne Meer der bloßen Gottheit ein.”
    
Plotins  Mystagogie  baut auf lediglich drei Worten auf:

“Tu alles fort.”

Ob nun das Eine angestrebt wird (Plotin), die Grund- Lichtheit (Buddhismus) oder das Einssein in Gott bei Meister Eckhart: Prinzipiell handelt sich um Richtungsweisungen einer negativen Theologie, und da diese zwar nicht benennen will und gleichzeitig doch nicht schweigen mag, muß sie nach Platzhaltern suchen, entsprechend auch sind sämtliche “geographische” Angaben wie “aufwärts”, “über” usw.  zu verstehen.
Das “Tun” bei Plotin meint dann tatsächlich ein geistiges Tun, das aber in der Gewahrwerdung des Geistigen das Geistige aufhebt. Plotin: „Vielleicht muß sich der Geist…quasi hinter sich zurückziehen und quasi auf sich selbst verzichten zugunsten desjenigen, was sich hinter ihm befindet… er darf dort, wenn er jenes sehen will, nicht ganz Geist sein.”
 
Nach dem Physiker David Bohm  sind Materie und eben auch Geist (zwischen denen eine physikalische, eine Teilchen- Kontinuität besteht!) in ihrer Getrenntheit schlicht Aspekt fragmentierter Wahrnehmung bzw. Explikationen eines Unruhezustandes. Insofern sind Aussagen , die eine End- bzw. Grundform des Daseins in einem Unruhezustand belassen möchten (wie  U.G. Krishnamurti, der die “Endform” als “Pulsieren des Lebens” bezeichnet), als nicht weit genug (zurück) gedacht kritisierbar.
“Plotin bezeichnet das Eine zugleich als Alles und Nichts. Alles ist es deshalb, weil alles aus ihm stammt, nichts deshalb, weil alle Dinge später sind als es.” (Klaus Kremer)
Wenn diese Aussage noch nicht befriedigt, gehen wir in der Erklärung noch einen Schritt weiter: “Sein und Nichtsein des Einen sind nur möglich, wenn sie nicht koinzidieren, sondern nur, wenn das Eine im Nacheinander der Zeit das Sein verlassend in das Nichtsein eintritt und umgekehrt.” (Volkmann-Schluck)