Bildliches Sein und Leiden

Meister Eckhart sagt: “Das zweite unter den vier Stücken, daß er im Anfang, das heißt in sich selbst geschaffen hat, erhellt aus Folgendem: die Schöpfung gibt oder verleiht das Sein. Das Sein aber ist der Anfang und zuerst von allem; vor ihm und außér ihm ist nichts. Das aber ist Gott. Er hat also alles im Anfang , das heißt in sich selbst geschaffen. Er hat nämlich alles im Sein geschaffen, welches der Anfang und Gott selbst ist. Hier ist zu bemerken, daß Gott alles, was er schafft, wirkt oder tut, in sich selbst wirkt oder tut. Denn was außerhalb Gottes ist und was außerhalb Gottes wird, ist und wird außerhalb des Seins. Ja, es wird überhaupt nicht, denn des Werdens Grenze ist das Sein.”

Hier ist noch einmal zu bemerken: Im Außerhalb ist ja schlicht gar nichts. Was dort ‘verortet’ ist, ist nur in der Leugnung der Innenheit, da es sich aber nicht zwingend (negierend) bezieht, kann es auch nicht durchweg Negation genannt werden, aber geriert es sich, als würde es nicht in diese Ordnung gehören, fällt es somit in gewisser Weise ab vom Impetus zur ursächlichen und letzten Harmonie. Dabei ist es gleichwohl wie eben alles andere nach wie vor in der Einsheit, denn es gibt eben nur diese allein, außer der ja nichts sein kann. Die Möglichkeit zur Distraktion ist somit im Göttlichen (im Einen) und somit in Gottes Plan zyklischer Bewegung der Distraktion und Kontraktion, der Emanation bis zur äußersten Randständigkeit des Seins und der Rückemanation zum Ursprung erhalten. Die eigentliche Einsheit meint die völlige Verdichtung im Zentrum dieser Verortungen.
“Des Werdens Grenze ist das Sein”: Dies heißt, was wird, was expliziert, verliert sein Sein zunehmend, und eigentliches Sein ist nur innerhalb der vorsinnlichen Apriorie. Das wiederum meint: Es ist nur ein vermeintlich außerhalb Gott Seiendes, das seinem Prädikat nach nur außerhalb ihm sein kann, weil es so interpretiert wird durch Sinne und Gedanken, die wiederum aus dem Eigenwillen des Einen zum eigenen Ausgehen resultieren. Dieser Seinsverlust ist so im noussphärischen Impetus zur Form gewollt und angelegt oder zumindest als Möglichkeit gegeben. Zur Auflösung der Schwierigkeit (auch der hiermit verbundenen Frage der Theodizee) trägt aber folgender Gedanke bei: Jeder Seinsverlust ist schließlich wesenhaft insofern keiner, weil er intentional aus höchstrangigem Sein stammt und nur ganz bildlich (verblasst) existiert, bildlich wahrgenommen und schließlich bildlich erlitten wird. Die als real erfühlte Defizienz, ein im Lebensradius als real erlebbares Leiden aber als bildliches Leiden zu begreifen und dieses über das Bild hinweggehend zu ertragen, das ist die höchste Erbringung, die der Mensch innerhalb seiner Lebens-Warte dem Einen dargeben kann. Gerade der Kreuzestod Jesu ist hierfür -wenn auch dogmatisch entstellt – bestes Exempel.