Seit der Antike wurden weitreichende ethische Prämissen formuliert. Ich denke hier an Empedokles, Pythagoras, an die Stoa und an die Ethik der östlichen Religionen, wie sie gerade im Jainismus bereits 500 Jahre vor Christus von Mahavira aufgezeigt wurde. Die ethischen Anforderungen sind dabei so hoch, daß sie nur schwer mit der Lebensrealität der Menschen, zumal der Mehrheit, in Einklang zu bringen sind.In globaler Hinsicht ist der Blick auf eine evolutorische Verbesserung der inneren Haltung des Menschen immer starkem Zweilefel unterzogen worden. Um diesem Zweifel gerecht zu werden, garantieren schließlich staatliche Verfassungen Rahmenbedingungen, die eine defizitäre menschliche Konstitution durch einen rechtlich sanktionierten Kodex des Zusammenlebens kompensieren sollen (Schelling: “…der Staat ist daher eine Folge des auf der Menschheit ruhenden Fluchs…”), diese Übereinkunft ist zuletzt als Reminiszenz an ursächlich religiöse Direktiven in Angesicht eines angenommenen Sündenfalls zu verstehen.
Ein anschauliches Beispiel für die Kluft zwischen formulierbarem ethischen Anspruch und Lebenswelt ist gerade das Verhältnis des Menschen zum Tier. Immer offensichtlicher und transparenter wird heute -man kann sagen, erst wirklich heute- das hiermit verbundene Unrechtsgefühl, immer dringender der Wunsch -bei einer wachsenden Zahl von Personen, die ein Beewußtsein hierfür entwickeln – nach Abhilfe. Die Direktiven, die hierfür verbalisiert werden, sind in gedanklicher Vollendung ebenfalls bereits seit Jahrtausenden ausgesprochen. Und für heute: die Weltbevölkerung steigt und tritt so in immer schärfere Konkurrenz zu anderen Lebensarten, gegen immer neue Widerstände muß daher dieser zeitlose Anspruch formuliert und rekapituliert werden. Gerade in vergangen Epochen war das Nichtwissen, die Intransparenz und vor allem die Abhängigkeit von tierischer Nahrung dagegen als lebensbegleitende Normalität und Notwendigkeit allumfassend. Daher gibt gerade die moralische Disposition, die offenkundig zum über die Notwendigkeiten hinausreichenden Anspruch befähigt, einen Hinweis , daß der Mensch eine Möglichkeit zu einer Einsicht in einen Entwicklungsauftrag hat, der weit über seiner aktualen Verfaßtheit liegen muß. Auch so läßt sich folgender Nietzsche– Satz verstehen: ” Dieser Mangel des Menschen ist gerade … seine Chance. Er ist noch nicht, was er sein kann; er ist mißraten, aber er kann noch alles werden.” Dies meint ein über sich und die offenbare Notwendigkeit und Pragmatik Hinausreichendes, eine höhere Ordnung der Natur, die sich über ihre Gefallenheit und amoralische Verstrickung bewußt wird und zu erheben gewillt ist. Die innere Gewißheit hierüber kann gar dazu angetan sein, hier von einer Antragung von Außen zu sprechen, denn die relative Unmöglichkeit der Einlösung der formulierbaren Ansprüche wirkt wie eine Probe, wie eine Bewährung und Belehrung, gleichzeitig ist sie seelischer Ansporn zur Wiederherstellung der höheren Moralität, die als innere Anlage eines jeden Menschen anzuerkennen ist.