Monotheismus und Gewalt

“(Der Gott der Philosophen hat sich seinem Volk zunächst als Gott der Väter offenbart, um sich seinen rationalen, emotionalen und imaginativen Möglichkeiten anzupassen, aber den Weisen Winke gegeben, hinter dieser Maske die Wahrheit zu ahnen.)
Hier geht es um einen neuen, gesteigerten Wahrheitsbegriff, der keine Kompromisse duldet mit dem als Unwahrheit Ausgegrenzten. Hier muß man sich entscheiden. Niemand wäre im Bereich des Heidentums auf den Gedanken gekommen, die Götter der anderen als falsch zu verwerfen. Das wurde erst im Bereich des exklusiven Monotheismus möglich, der jede Form interreligiöser Korrelation und Übersetzbarkeit kategorisch ablehnte.” (Jan Assmann)
Im Zuge der Frage nach einer (sich durchaus realpolitisch abbildenden) Gewaltgenese möchte ich folgenden Satz des selben Autors ergänzen: “Die Abwesenheit einer spezifischen Form religiöser Gewalt bedeutet nicht das Fehlen sozialer und politischer Gewalt.” Dies ist wohl nachvollziehbar, allerdings gilt auch: Die Anwesenheit von religiöser Gewalt verhindert die soziale und politische Gewalt eben auch nicht, im Gegenteil fördert sie diese sogar.
Dem zentralen Gehalt des Alten Testamentes nach ist die Politik der Ausgrenzung zudem ethnisch (oder ethnoreligiös) auf ein Gottesvolk fokussiert, das nun seinen Erwähltheits-und Erlösungsauftrag kriegerisch konnotiert.  Hierzu wird gar “das generelle Tötungsverbot durch eine übergeordnete Tötungspflicht ersetzt.”
“Bei der Landnahme Israels werden die jüdischen Heere zur präventiven Ausrottung der ansässigen Bevölkerung angehalten.” ” In seinem vom Bundeswewußtsein befeuerten Eifer besteht Moses darauf, auch sämtliche Knaben und alle erwachsenen Frauen zu töten und nur die jungfräulichen Mädchen zu verschonen: ‘Die laßt für euch am Leben!’ (Numeri 31)” (Peter Sloterdijk
Hier kommt es im übrigen nur auf den vollbewußten Vollzug der Proklamation an, weniger auf die Frage nach ihrer historisch verbriefbaren Umsetzung, denn alleine die Proklamation taugt zur Übersetzbarkeit in weitere, nachfolgende Schemata realer Gewalt -man denke etwa an den muslimischen Jihad oder an die genoziadele Rhetorik und die Rechtfertigungen während der europäisch-christlicher Expansion: “Wenn der Wilde Widerstand leistet, verlangt die Zivilisation, mit den Zehn Geboten in der einen und dem Schwert in der anderen Hand, seine unmittelbare Auslöschung (W.T. Sherman, US General in Missouri,  zur Indianderfrage).                      
Die gewaltsame Anmaßung und Ursurpation des Göttlichen wird in dem Kontext einer  in sich abgeschlossenen, also totalen -vorgeblich geoffenbarten- Wahrheit gerechtfertigt.  Zuvor-also im Heidentum-waren die Gottheiten hingegen noch ineinander übersetzbar(Assmann).
Als hierzu antipodisch ist das Konzept eines universalen oder tieferliegenden Wahrheitsbegriffes anzuführen, dem diese Willkür rigider Exklusivität  fremd ist und der gleichzeitig die mono- (bzw. polytheistische) Vorstellung übersteigt: Universale Wahrheit kommt ohne ein totales  Gottesbild aus, benötigt dies nicht, denn ihre Totalität liegt eben allein  in der Unhintergehbarkeit ihrer Positionierung zu Wahrheitsgehalten (hierzu auch gehört die Überwindung oder Auflösung aller  transzendenten “Setzung” oder gar Manifestation).
“Philosophia perennis et universalis bezeichnet die Vorstellung, der zufolge sich bestimmte philosophische Einsichten über Zeiten und Kulturen hinweg erhalten (perennieren). Dazu sollen Aussagen (etwa in Form von Prinzipien) zählen, die ewige, unveränderliche und universal gültige Wahrheiten über die Wirklichkeit, speziell den Menschen die Natur und den Geist ausdrücken.”
Der US-amerikanische Autor Ken Wilber hat „die sieben wichtigsten Übereinstimmungen der immerwährenden Philosophie aller Zeiten, der allermeisten Kulturen, spirituellen Lehren, Philosophen und Länder“, folgendermaßen zusammengefasst:
Der spirituelle GEIST (Gott, die höchste Wirklichkeit, die absolute Seinsheit, die Quelle, das Eine, Brahman, Dharmakaya, Kether, Tao, Allah, Shiva, Jahweh, Aton, Manitu…) existiert.
Er muss innen gesucht werden.
Die meisten von uns erkennen diesen GEIST nicht, weil sie in einer Welt der Sünde, Trennung und Dualität leben, in einem Zustand der Gefallenheit und Isolation.
Es gibt einen Ausweg aus Sünde und Illusion, einen Pfad zur Befreiung.
Wenn wir diesem Pfad bis ans Ende folgen, finden wir Wiedergeburt oder Erleuchtung, eine direkte Erfahrung des inneren GEISTES, eine letzte Befreiung.
Diese letzte Befreiung bedeutet das Ende von Sünde und Leiden.
Sie mündet in mitfühlendes und erbarmendes Handeln für alle Lebewesen.”
(Wikipedia)
Hierzu allerdings soll kritisch angemerkt sein, daß Wilber zwar zutreffende Aussagen über die Verknüpfung universeller Wahrheit mit einem typischerweise mystischen oder selbsterlöserischen Weg tätigt, dieser Erlösungsweg aber nicht für die monotheistischen Religionskonzepte akzeptiert ist, sondern daß innerhalb derer dieser Weg vielmehr allezeit als Ketzerei galt. Zudem stehen die monotheistischen Götter der Ausschließlichkeit für die Affirmation des von ihm monierten Dualismus, man kann auch sagen, sie stehen für eine (pseudo)spirituelle Verhärtung und Blockade  der Dynamik aller geistig-transzendenten Vollzüge.