Materialistischer Narrativ

Warum stößt der Versuch eines ernsthaftes Gesprächs über “Übersinnliches” (oder allgemeiner: über alternierende Konzepte von “Realität”) oftmals so schnell  auf reflexhaften Widerstand? Ein guter Teil der  Antwort kann  mit Narrativ und Prägung überschrieben werden.
Der (Nachkriegs-) Narrativ: Trotz der territorialen  Zurückweisung des Kommunismus werden für Westdeutschland  dennoch (neo-)marxistische Grundannahmen insofern bestimmend für das geistige gesellschaftliche Klima, als es der Frankfurter Schule (Kritische Theorie) gelingt, -flankiert von der Einflußnahme hegemonialer Interessen der Supermächte-  über die mediale Arbeit der Nachkriegszeit und  später über die  Studentenbewegung  der 60’er Jahre  in ihrem  Marsch durch die Institutionen  nach und nach die hierfür erforderlichen Schlüsselpositionen einzunehmen.  Damalige subkulturelle Einflüße aus den USA, die oftmals spiritueller und bewußtseinsevolutorischer Natur waren (psychedelic revolution), wurden gerade in Deutschland schnell politisiert und zu materialistisch-dogmatischen Positionen  umgeformt. Zwar enstand auch die alternativ-religiöse  New Age Bewegung, sie war aber zu keiner Zeit als konsistente Gruppierung   zu betrachten und wurde  in ihren Zielsetzungen bald auf den Rang eines belächelten trivialen  Esoterismus verwiesen. Ein tief bis in das  Bürgertum und deren Eliten verankertes Interesse am Übernatürlichen – wie etwa im Interesse am Spiritismus noch zur Wende zum 21. Jahrhundert weit verbreitet- , kommt  gänzlich zum Erliegen. Gemäß des linken materialistischen Narratives ist nun alles  “Idealistische” oder “Metaphysische”  als bürgerlich, reaktionär, oder gleich als faschistisch  konnotiert. Seinen Anfang nahm diese rigoristisch – reduktionistische Weltsicht dabei  (spätestens) seit den Junghegelianern, die  noch ganz auf den Naturbegriff des 18.Jahrhunderts rekurrierten, der davon ausging, daß die Natur  ihrer  Grundlagen  nach mehr oder weniger entschlüsselt und somit vollständig  erklärbar sei.  Dieser Naturbegriff basierte vor allem  auf dem Erfolg Isaac Newtons und beschreibt “die Natur der Physik als ein System träger homogener Massenkörper in Raum und Zeit.” (Schiemann/Heidelberger). Insofern ist die naturphilosophische bzw. naturwissenschaftliche  Grundlegung  der “68 er ” eigentlich schon zu ihrer Zeit  als überholt zu bezeichnen.
Zwar läßt sich  durch die seit der Wende zum 21. Jahrhundert gegebene Herausforderung  dieses Weltbildes durch die Relativitäts-  und  Quantentheorie -mittlerweile- davon sprechen, daß “innerhalb der analytischen Pilosophie die Abneigung gegen metaphysische Konzeptionen ziemlich geschwunden sei, daß der Weg von der Metaphysik zur Naturwissenschaft ebenso wie der umgekehrte grundsätzlich wieder offensteht.” ( Schiemann/Heidelberger).
Freilich aber sprechen wir hier zuvorderst von einem fast abgeschlossenen, exklusiven Interesse, dessen Erkenntnisse um grundlegende Seinsfragen bisher nicht spürbar  in das allgemeine Bewußtsein diffundiert.
 Prägung:
Noch ursächlicher (und manche mögen dies zuerst als Paradox auffassen) für diese allgemein diesseitsfixierte (europäische) Prägung ist die Lehre der Kirche. Sie erhebt seit der konstantinischen Wende  das Monopol auf sämtliche Seins-und Glaubensfragen und untergräbt bzw. bekämpft traditionsgemäß jeden Ansatz, der  in Konkurrenz  dazu erachtet wird. Übersinnliches soll dabei als Teil des Alltags, des eigenen Erlebens  gar kein Interesse haben  und wird ganz  in die Verantwortlichkeit einer entrückten Gottes-Präsenz hinwegdelegiert. Der Mensch soll sich fügen, nicht forschen -was freilich  zuletzt dem allem zu Grunde liegenden, jede Immanenz verwerfenden  abrahamitschen  Ansatz folgt : Rabbi Morteira: “Wer philosophiert, sündigt.” Ebenso sündigt in den Augen der Kirche die freie Wissenschaft, da sie jeher  geeignet ist, an “geoffenbarten” Glaubensinhalten zu rütteln, doch ist die Wandelbarkeit der Bewertung der Daseinsbedinungen ihrem Wesen (und so dem Wesen des Menschen)  nach eben zwingender Vorsatz , wie z.B. Karl Jaspers einst bemerkte: “Das Dasein der Wissenschaft hat erhebliche Folgen für den Inhalt aller Glaubensaussagen, seien sie theologisch oder philosophisch.” 
So gehen der politisch -materialistische wie der christlich anti-immanente Ansatz (auch wegen der Gleichheit  ihres atomistischen Weltbildes) eine  Liaison ein, die eine (prominent  im deutschen Idealismus  formulierte)  Ansicht um den Telos einer Transzendenz -Erwartung in aktiver Teilhabe des Einzelnen, eine Konzeption also tatsächlicher Gewahrwerdung des Immanenten negiert, bekämpft, gar verteufeln muß.
Das Ergebnis ist heute unter spirituellem Gesichstpunkt desaströs. Es gibt keinen breit verankerten Willen zur Annahme oder Einbeziehung eines  “Übermateriellen” als etwas, was einem  seriösen Diskurs zugeführt werden sollte, als etwas, was die Daseinsbedingungen ihrem Wesen  nach als nicht raumzeitlich abgeschlossen postuliert und dieses also unbekannte  Land im Zuge eines Forschungsauftrages  abzustecken gedenkt. Dabei muß die Wissenschaft ihrem inneren Wesen nach (nämlich der Progression und Daseinsklärung) zur bewußten Einbeziehung des transzendenten Blickwinkels finden, wenn sie eben nur bereit ist, das Unerforschte als transzendent zu akzeptieren.  Ebenso wird ein steter Erkenntnisgewinn  die Definition von Wissenschaftlichkeit selbst weiterentwickeln müssen, so daß sie eine bessere Methodik an die Hand bekommt, einer Feinmechanik gleich, die “dem Feinstofflichen” nachzuspüren in der Lage ist und das sperrige, altbackene Diktum von der Unwissenschaftlichkeit mit ihrer eigenen Trägheit abzulegen gewillt ist.
 Die wenigen Ansätze, die trotz aller Devastationen durch Kirchendogma und (Neo-)Marxismus (oder wenn man will: den so in die Moderne hineingetragenen Bruch mit der Antike) bestehen und behutsam gegen deren zäheste Ressentiments beobachtbar werden,  geben ein hauchdünnes Hoffnungssignal.