Zeitgeist

C.G. Jung: “Der Zeitgeist ist mit den Kategorien der menschlichen Vernunft nicht zu erfassen. Er ist ein ‘penchant’, eine gefühlsmäßige Neigung, die aus unbewußten Gründen mit übermächtiger Suggestion auf alle schwächeren Geister wirkt und sie mitreißt. Anders zu denken, als man heutzutage eben denkt, hat immer den Beigeschmack des Unrechtmäßigen und Störenden, ja es ist sogar etwas wie unanständig, krankhaft oder blasphemisch, darum für den Einzelnen sozial gefährlich. Er schwimmt unsinnigerweise gegen den Strom.”

Hierzu sei zweierlei angemerkt: Zum einen birgt der Beschriebene als Bewegung und Beeindruckung des Kollektiven auch den Ausdruck einer essentiellen (geschichtlichen) Notwendigkeit, also einer durchaus dynamischen und zwingenden Entfaltung, die nämlich den Seinsvollzug selbst in der Bewegung von Explikation und Rückexplikation bezeichnet, freilich wird hierbei alles Ansichtige gebrochen in die unzulängliche und gemittelte Ausdrucksform des kollektiven Menschen. Jedoch ist auch diese auf die eine oder andere Weise anteilig der allertiefsten Notwendigkeit zur Progression.
Hinzu aber kommt in der weltlichen Konfrontation dieser Bewegung zusätzlich ein hemmendes Moment, das durch manifeste partikulare Interessenlagen evoziert ist, die in Folge der gemeinten Progression in mannigfacher Art entgegenstehen.
Jung moniert nun an dieser Stelle zu Recht eine heutige zeitgeistige Bewegung zur materialistischen Sichtweise ( – dies auch zuletzt die tiefere Anlage zu aller Hemmung). Diese ließe sich nun als nach-metaphysischer Pendelschlag innerhalb der Geschichtlichkeit deuten – deren Wesen – wie genug beschrieben – ein wechselnder, dialektischer Charakter innewohnt.
Jung: ” Wer ist denn dieser allmächtige Stoff eigentlich? Es ist wiederum ein Schöpfergott, der sich diesmal seines Anthropomorphismus begeben und dafür die Gestalt eines universalen Begriffes angenommen hat, von dem alle wähnen, sie wüßten, was er meint.”
“… Der Stoff ist uns aber genauso unbekannt wie der Geist.”

So tauscht man schließlich ein unfundiertes Dogma gegen das nächste (indes ist gerade der Theist neben dem Materialisten derjenige, der der Festigkeit und Evidenz der Materie am ehesten bedürfte).
Zu proklamieren wäre indes ein sogenannter Zeitgeist als besserer Begriff, der sich ganz seiner negativen Konnotation befreit, als eine Dynamik, die in der Zeitlichkeit eine Progression im geschichtlichen Vollzug mit dessen geistigen Telos zusammenzuführen in der Lage wäre.