Bedingungen des Ich

Peter Sloterdijk: “Die Lawine des ontologischen Masochismus. Von diesem und seinen mystisch extremistischen Derivaten ging die Forderung aus, mein Eigenwille müsse zunichte werden, wenn wirklich Gott alles in allem sein solle. Solange ich noch ich sagen kann, bin ich vermutlich einer der rebellischen Geister, die aus Stolz und Vorurteil an der Verfestigung der widergöttlichen Welt mitwirken.”

Dies mag zwar gelten für die Welt der objektiven raumzeitlichen Orientierung und der hiermit verbundenen (zwar offensichtlichen) Annahme des Ich in seiner gewöhnlichen Determinierung.
Will es einem aber wirklich ernst sein mit dem Ich, so muß sich folgende Überlegung anschließen: Auf reflexiver (das ‘konstruktivistische Momentum‘ berücksichtigender) Ebene beruht das Ich ja auf aposteriorischen Annahmen, die erst bewiesen werden müßten. Es muß somit als einzige Evidenz eine viel umfassendere Aussage getätigt sein, die neben der Bestreitbarkeit der objektiven Physiologie auch das Denken nicht als ichbestimmtes bzw. ichbestimmendes Kriterium zulassen kann: Es soll dann also nicht mehr alleine nur heißen: “Ich denke, also bin ich”, sondern vielmehr: In mir ereignet sich Reflexion, also bin ich (in meinem subjektiven Wahrnehmen meines Ich) Aspekt einer – von transzendierter Warte als desintegriert zu bezeichnenden – wahrnehmenden höheren Entität bzw. Identität. Eine Unterstützung für diesen Gedanken findet sich indes bei Karl Ballmer, der sagt: “Cogito sum, ergo cogitatus sum”. ” Ich bin im Denken, ergo bin ich gedacht.”
Das Ich kann also nur zu sich kommen, wenn es seine wahre Herkunft ergründet, zumindest unter Ausscheidung der aposteriorischen Kriterien Aussagen darüber trifft, wodurch es eben gerade nicht evident konstituiert ist- so aber wird der Ichbegriff bei seinem Durchdenken seiner gängigen Bedeutung nach liquide oder vielmehr transzendiert.
Und somit ist das eigentliche Ichsein eben Signum eines ‘Ganzeren’, gegen das als Eigene Angenommene. Die gesonderte Verfestigung des raumzeitlich bedingten Ich hingegen bedeutet Affirmation der begrenzenden, beschränkenden Relationen, wider Gott sein heißt dann vielmehr ihn so stärken, ja (als machtgewinnende Schimäre) entscheidend bedingen und im Sein halten, oder anders gesagt: Die Beharrung auf dem Ich ermöglicht erst (den theistischen) Gott.