Religion und säkulares Heil

Zum  Begriff der Ersatzreligion: Ein missverständlicher (per se subjektiv gefärbter) Begriff, gerne gebraucht, um ein vermeintliches Wahrheitsgefälle zu einem „evidenteren“ Glauben zum Ausdruck zu bringen. Konturierter wären hierfür die Begriffe „Utopie“ oder „säkulares Heilsversprechen“ zu verwenden. Außerdem: Ersetzt wird zwar möglicherweise die „Religion“, die ein transzendentes Prinzip annimmt. Ersetzt wird aber doch lediglich eine „überhöhte“ Erwartung durch eine andere. Man könnte ja auch umgekehrt „die Religion“ als eine „nichtsäkulare Utopie“ bezeichnen. Die Ersetzung bleibt vorerst im selben Bezugsrahmen eines zu erwartenden oder bereits zu verwirklichenden Heils. Daher wäre auch ein wirklicher „Ersatz“ erst die Entlassung des Heilsbegehrs als solches.
Heilserwartungen fußen zudem meist in der alten Idee einer Utopie eines versunkenen oder künftigen Goldenen Zeitalters. Im mythischen Kontext, wie etwa  bei Hesiod angelegt, werden diese Ideen später zum  Religiösen übergeleitet. Die Utopien eines Thomas Morus oder später der Aufklärer und Sozialisten, bis hin zu den radikalen Konstrukten wie Bolschewismus und Nationalsozialismus sind von diesem Bezugsrahmen nicht abzukoppeln. Der Nexus dieser Totalitarismen zum Christentum ist zwar zu einem Teil auch durch dessen Schwinden gegeben, doch nicht zu unterschlagen ist gerade auch eine Prägung durch die alttestamentarische Vernichtungsforderung und auch der lange und tief rezipierten –und antizipierten!- (aber nie eingelösten) göttlichen Heilserwartung. Zudem ist auch ein kausaler Nexus zwischen Kirche (Verknüpfung und Zementierung ungerechter, zu überwindender Verhältnisse) und der Entladung eines Kirchenhasses bei Hitler und mehr noch bei Lenin zu bedenken. Der Vernichtungswille und die Radikalität, mit der diese Politik der Utopien im 20. Jahrhundert ausgeführt wurde, (alleine der Gedanke an ein 1000 jähriges Reich ist ja einem chiliastischen Denken verwandt) sind dabei noch weniger einer „plötzlichen“ Gottlosigkeit geschuldet, als einem neuen Machbarkeitswahn inkl. exponentieller Technisierung und neuer Mobilisierungsmöglichkeiten durch Propagandamittel. Denn der Wunsch nach Vernichtung und nachhaltiger Auslöschung begleitet die Menschheit bereits seit einigen tausend Jahren. Schon das alttestamentarische Denken beschreibt, ja determiniert förmlich die Forderung  der nachhaltigen (totalen) Vernichtung (siehe die Geschichte der Stadt Jericho, die Ausrottung bis zum letzen Glied und Kind und Tier).
Wie untrennbar und tief religiöse Heilsvorstellungen und weltliche Utopie miteinander verzahnt sind, zeigen auch folgende Schlaglichter:
-Neuer Chiliasmus:
“Der
Amillenarismus z.B. ist heute im post-orthodoxen Luthertum und der neo-calvinistischen Bewegung teilweise verbreitet. Amillenaristen sehen die Zahl 1000 symbolisch und glauben, dass das Reich Gottes heute in der Welt gegenwärtig ist, da der siegreiche Christus seine Kirche durch Wort und Geist regiert.
-Neues Jerusalem:
„Daraufhin werden die Erde und der Himmel erneuert und eine Stadt wird aus dem Himmel herabfahren: das neue Jerusalem. In der Wirkungsgeschichte dieser Vision bildet oft der Berg Zion ein pars pro toto für das eigentliche Jerusalem, und zwar seit den Kreuzzügen bis hin zu pietistischen Bestrebungen, mit Ausläufern bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts.“

-Jüdische Heilsvorstellung:
„Das Judentum liest die Geschichte vom Garten in Eden differenziert und integriert sie in ihr traditionelles Weltbild. Der Mensch ist weder sündig, noch ist er gefallen und verdorben. Der Weg zu Gott ist ein Weg, offen für jeden Menschen, gleich welcher Religion bzw. welchen Glaubens, den er einschlagen kann und soll. Eine Rettergestalt wird die Menschen und die Welt nicht erretten, sondern die Errettung der Welt sollen die Menschen aus sich selber heraus angehen, sie sollen die Welt und das menschliche Miteinander verbessern. Die Tora lehrt, dass die Menschen dabei nicht allein sind.“

(Wikipedia)