Caspar von Schwenckfeld

Der Reformator und Verkünder einer neuen Innerlichkeit und Wahrhaftigkeit des Glaubens, Caspar von Schwenckfeld, besticht vor allem durch einen Lebenslauf der unerschütterlichen Haltung und Stetigkeit, die er  aller Widrigkeiten und Verfolgungen durch seine Gegner zum Trotz bis zum Tode bewahrte.  Sein Dissens mit Luther ist dabei  Signum eines protestantischen Dilemmas: die Gewichtung der Schrift vor dem Ritus als Unmittelbarkeit durch das  Gotteswort und somit die Abhängigkeit von dessen Evidenz , dabei zugleich die Uneinigkeit über die Auslegung, und fundamentaler noch: gar die Uneinigkeit bezüglich der korrekten Übersetzung der Textquellen.
Schwenckfelds  Einfluß reicht auf den Pietismus, die Quäker und Jakob Böhme. Kernpunkte der Lehre sind gar mit denen der Quäker identisch: Die Lehre nämlich vom inneren Licht, Leben und Wort, das Zurücktreten der Vermittlung durch Riten oder Zeremonien, die neue Geburt des Menschen durch den heiligen Geist, die besondere Kritik an Taufe und Abendmal, denen man die Bewirkung der Präsenz Gottes abspricht.
So wichtig all dies auch damals angesichts einer dogmatisch erstarrten Kirche erscheint (Nietzsche z.B.  drückte die fehlende Unmittelbarkeit  viel später wie folgt aus – was indes einen Hinweis  auf das letztendliche  Scheitern der Reformation gibt: “Der Buddhist handelt anders als der Nicht-Buddhist, der Christ handelt wie alle Welt und hat ein Christentum der Cermonien und der Stimmungen.”
-Schwenckfeld setzt ja genau hier an, so diente der Weg seiner  Innerlichkeit der Erneuerung einer erneurungswürdigen Kirche, um dieser neue Glaubenstiefe, neue Kraft zu spenden.  Auch die Zurückweisung politischer Allianzen zwischen Kirche und Staat sowie die Forderung von Religionsfreiheit müssen zu seiner Zeit außerordentlich geklungen haben –   so bleibt  Schwenckfelds “Weg der Mitte ” doch  ein Weg der  unterwürfigen Frömmigkeit, der  Bitte und Demut an den  ganz anderen und geschiedenen Gott. Ein Weg , der die Mauern der Kirche nie verlassen mag.  So fußt alles auf der Bibel (die neue Innerlichkeit ist erfülltes Schriftwort), kein Schritt zur (heidnischen) Antike, kein Schritt über die Bibel hinaus, gar kein Zweifel an ihr wird in Erwägung gezogen, -dafür fruchtloser Streit und theologische Haarspalterei über deren Inhalt -dies ist eine “Innerlichkeit” abseits der Traditionslinie und den Implikationen der mittelalterlichen Mystik nach Meister Eckhart oder  Tauler – deren  (ursächlich stoische) Betonung der wesensgleichen Teilhabe am Göttlichen ist mit der schwenckfeldschen Proklamation eines inneren Lichtes wohl nicht gemeint  -ganz anders als bei seinem  (ihn weit überragenden) Zeitgenossen Thomas Müntzer, der Eckhart über Tauler gerade in dieser Hinsicht tief rezipiert und verinnerlicht hat.
Somit mag anhand eines weiteren Nietzsche-Satzes Schwenckfeld in eine Generalkritik an der Reformation mit eingeschlossen sein:  ” Die Renaissance, diese Wiederauferstehung des eigentlichen Menschen hat das Christentum -durch die Schuld Luthers- zu einem Umsonst werden lassen.
Argumentiert man hingegen von kirchlicher Warte aus, wie etwa Paul Gerhard Eberlein in seinem Werk über Schwenckfeld, kommt jenem  folgender Verdienst zu:
 ” Müssen wir Schwenckfeld nicht zustimmen mit dem Vermächtnis an seine Weggenossen, daß es beim Bauen der Kirche auf den Geist ankommt? Gehört nicht auch heute zur Lebendigkeit einer vom Geist geleiteten Kirche die Gabe der Unterscheidung der Geister im Sinne Schwenckfelds, der den Auschluß `nicht ernsthafter Christen” vom Abendmahl und den geistlichen Ämtern forderte? ”
Hier allerdings ist Schwenckfeld noch unserer Zeit voraus, denn in der Tat stellt das Christsein qua Geburt ja bis heute die eigentliche und grobe Verfälschung und Verwässerung der Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit der  Kirche und des Bekenntnisses dar. Tatsächlich nehmen überhaupt nur etwa zehn Prozent der Getauften  regelmäßig am  Gottesdienst teil, was Aufschluß geben mag   über die Authentizität ihrer  wahren Überzeugung.
Völlig treffend  in diesem Sinne auch Arthur  Schopenhauer: “Wenn die Welt erst ehrlich genug geworden sein wird, um Kindern vor dem 15ten Jahr keinen Religionsunterricht zu erteilen: dann wird etwas von ihr zu hoffen sein.”
Vielleicht liegt das eigentliche Vermächtnis Schwenckfelds darin, daß er den Finger in diese Wunde legte und eine Katharsis einklagte, die bis heute als Forderung bestehen mag, weil sie eben bisher nie eingelöst wurde.